Eine schwankende Kultur

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In „Die Fremde“ mit Sibel Kekilli in der Hauptrolle wagt sich die österreichische Regisseurin Feo Aladag an das heikle Thema „Ehrenmord“.

Erst im Jänner hatte ein Gerichtsurteil mit der Begründung „kulturbedingte Affekthandlung“ für heftige Diskussion gesorgt: Ein Mann hatte versucht, seine scheidungswillige Frau mit Dutzenden Messerstichen in den Kopf und einer anschließenden Attacke mit einem Stahlrohr zu töten. Das Gericht stellte eine „allgemein begreifliche, heftige Gemütsbewegung“ fest und wies – quasi als Milderungsgrund – auf den Migrationshintergrund des Täters hin. Die Wogen gingen hoch und Justizministerin Claudia Bandion-Ortner empfahl, dass der ethnische Hintergrund von Tätern außer Acht zu lassen sei.

Es ist der Begriff „Ehrenmord“, der in den Medien längst zum Ausdruck für eine frauenverachtende Parallelgesellschaft geworden ist und mit dem schnell die türkische Gemeinschaft über einen Kamm geschert wird. Dem Thema beizukommen, ohne eine Kultur pauschal zu be- und verurteilen, gelingt der österreichischen Regisseurin Feo Aladag in ihrem Spielfilmdebüt „Die Fremde“: Die junge Deutschtürkin Umay (Sibel Kekilli) ist mit ihrem kleinen Sohn Cem zurück zu ihren Eltern nach Berlin geflüchtet. Ihre von Gewaltattacken geprägte Ehe in Istanbul will sie scheiden lassen. Umay ist nicht explizit modern oder progressiv, sie ist ganz normal in ihrem Wunsch nach selbstbestimmtem Leben und Familienglück.

Aber hier zeigt sich Familie nicht als Ort des Glücks, sondern als Agitator der Unterdrückung und Ausgrenzung. So wird Umay „die Fremde“, weil sie die Familienehre verletzt hat, ihren Vater enttäuschte, ihre Brüder nun als Schwächlinge dastehen und mit ihren Schwestern niemand mehr spricht. Dies ist umso tragischer, als Umay nicht von ihrer Familie lassen kann, obwohl sie ihre Autonomie vehement verfolgt. Umgekehrt ist ihr Vater kein prügelnder Macho, der seine Tochter vorschnell verdammt. Er ist wie die Mutter hilflos und verzweifelt, und ein Symbol für eine zwischen Weltoffenheit und Fanatismus schwankende Kultur. Am Ende erscheint ihm die gesellschaftliche Ächtung schlimmer als der Auftrag zum Mord an der geliebten Tochter.

Verletzlich und standhaft

Die Stärke von „Die Fremde“ liegt in der Binnenperspektive, die es ermöglicht, ein Destillat eines kom-plexen Konflikts zu präsentieren. So überdeutlich klischeehaft manches wirken mag, so differenziert entwickelt es sich durch die energische Regie Aladags – und vor allem die Darstellung Kekillis, selbst Deutschtürkin. Berückend intensiv spielt sie die Rolle einer Frau, die aus Schwäche zur Stärke findet und zeigt damit, wie schon in ihrem Debüt in Fatih Akins „Gegen die Wand“, dass sie in ihrer speziellen Verbindung aus Verletzlichkeit und Standhaftigkeit, zu den besten deutschen Darstellerinnen gehört. Auch eine große türkische Fangemeinde wäre ihr, deren Familie selbst mit ihr gebrochen hat, zu wünschen. Auch, damit dieser Film nicht nur jene bedient, für die Ehre und Mord ohnehin ein Widerspruch ist.

Die Fremde

D 2009. Regie: Feo Aladag. Mit Sibel Kekilli, Settar Tanriögen, Florian Lukas. Verleih: Filmladen 119 Min.

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