Eine Story zum Greifen und Fürchten

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Mit Brittens "The Turn of the Screw“ startet das Theater an der Wien die Saison. Intendant Geyer wechselt 2016 nach Bregenz - bis dahin hat er noch viel vor.

"Das ist außergewöhnlich, es hat alle Attribute, die zu einer Kultinszenierung werden könnten, optisch, wie gesanglich“, schwärmt Roland Geyer, Intendant des Theater an der Wien, über die erste szenische Produktion seiner neuen Saison, Benjamin Brittens "The Turn of the Screw“. Robert Carsen, bisher seinem Haus durch Erfolgsproduktionen wie Händels "Semele“ oder Poulencs "Dialogues des Carmélites“ verbunden, wird erstmals in seiner Karriere nicht nur Regie führen, sondern auch für die Ausstattung verantwortlich zeichnen. "Die Story zum Greifen, teilweise zum Fürchten, mit allen Möglichkeiten von Projektionen und Filmeinspielungen“, charakterisiert Geyer Carsens Zugang zu diesem Werk, womit der mit "Death in Venice“ und "The Rape of Lucretia“ begonnene Britten-Zyklus beschlossen wird.

Hoffmann à la Hitchcock

Auch im sechsten Jahr seiner Intendanz bleibt Geyer seiner Idee eines auf drei Säulen basierenden Programms treu. Er setzt damit erneut auf Barock, Mozart und sein Umfeld und - im weitesten Sinn - zeitgenössisches Theater, Uraufführungen eingeschlossen. Sie gilt diesmal "Gogol“ von Lera Auerbach, einer stilistisch durch Schostakowitsch und Schnittke geprägten, russischen Komponistin. Im Mittelpunkt dieser Oper, die im November Premiere hat, steht nicht die Biografie des russischen Dichters, es geht um dessen schwierige letzte Jahre. Mit Dirigent Vladimir Fedoseyev und Regisseurin Christine Mielitz steht ein besonders prominentes Leading Team zur Verfügung.

Dass sich - um beim russischen Repertoire zu bleiben - Tschaikowskys Einakter "Iolanta“ nicht nur, wie jüngst in Salzburg, mit Strawinskys "Le Rossignol“ wirkungssicher verbinden lässt, zeigt Geyer im Jänner mit der von Kirill Petrenko, dem designierten Münchner GMD, dirigierten Premiere dieser Oper, die er mit Rachmaninows "Francesca da Rimini“ verbindet. Schließlich kreisen beide Werke, wenn auch mit unterschiedlichem Ausgang, um die Liebe. Zudem versucht Regisseur Stephen Lawless eine Zeitreise vom 19. in das 20. Jahrhundert.

Gleich zwei Premieren hat Offenbachs "Les contes d’Hoffmann“, denn bei der ersten im März sind die Frauenpartien, wie gewohnt, auf einzelne Sängerinnen verteilt, bei der zweiten im Juli singt Marlis Petersen gleich alle vier, ist somit also Olympia, Antonia, Giulietta und Stella. Zudem erwartet sich Geyer von Regisseur William Friedkin eine thrillerartige Inszenierung à la Hitchcock.

Neben Raritäten wie Ambroise Thomas’ Shakespeare-Oper "Hamlet“, bei der Marc Minkowski die Wiener Symphoniker dirigieren wird, und Rossinis "La donna del lago“ mit Leo Hussain, dem Musikchef des Salzburger Landestheaters am Pult des ORF-Radio-Symphonieorchesters, stehen drei Barockopern auf dem Programm: Händels "Serse“ im Oktober, Glucks "Telemaco“ im Februar/März 2012, zwischendurch im Dezember Monterverdis "L’Orfeo“, zugleich der Start eines dreiteiligen Monteverdi-Zyklus, der nächste Saison mit "Ulisse“, später mit "L’incoronazione di Poppea“ fortgesetzt und 2015 in seiner Gesamtheit gezeigt werden wird. Inszenieren wird Claus Guth, für Geyer einer der interessantesten Regisseure der Gegenwart.

"Capriccio“ zum Finale?

Dass es ihn ab 2016 nach Bregenz zieht, erklärt er pragmatisch. Er hat dann mit dem Theater an der Wien einen "Ganzjahresbetrieb mit Möglichkeiten, die kein anderes Haus besser bieten könnte“, geleitet. "Ein anderes solches Haus zu führen, macht keinen Sinn. Ich habe 2016 circa 100 Produktionen gezeigt. Wir sind heute so weit, wie normalerweise erst nach sieben, acht Jahren, haben das Ziel erreicht und können schon ernten. Außerdem bin ich überzeugt, dass man nach zehn Jahren seine Kreativität in einem bestimmten Bereich ausgeschöpft hat.“ In Bregenz finde er mit dem gigantomanischen Raum der Seebühne, dem Großen Festspielhaus, dem für Barockproduktionen besonders geeigneten Theater am Kornmarkt sowie dem Kosmostheater als kleinem Avantgarderaum neue Möglichkeiten vor.

Aber das ist Zukunftsmusik. Frühestens 2014 will er seine Pläne für Bregenz bekanntgeben. Zuvor gilt seine ganze Kraft dem Theater an der Wien, vor allem auch Überlegungen, was er in seiner letzten Wiener Saison alles zeigen möchte. Vielleicht nach "Intermezzo“ und "Ariadne auf Naxos“ mit "Capriccio“ einen dritten Richard Strauss? Noch ist es offen.

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