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Gerade in der diffusen Informationslage, in der immer weniger sicher scheint, was wirklich relevant ist, gibt es gute Argumente für öffentlich-rechtliche Medien.

Am Aschermittwoch bediente er sein Publikum mit der Ansage, dem ORF glaube er nicht einmal die Uhrzeit: Dass der Vizekanzler je nach Anlass zwischen geiferndem Populisten und seriösem Regierungsmitglied switcht, ist nicht neu. Wenn aber sogar die Kronen Zeitung am Montag einen Strache-Interview-Sager von der Sonntags-Krone richtigstellen muss, dann zeigt sich, dass es der FP-Chef selber mit der Wahrheit nicht so genau nimmt: Strache hatte nämlich behauptet, der Tirol heute-Beitrag, gegen den die Blauen ob seiner Verkürzung seit Tagen wettern, sei auch in der ZIB 2 gelaufen Falsch!

Das Wüten der FPÖ gegen den ORF hat Methode - das wurde in den letzten Tagen offenbar. Und hat mit dem Anlassfall immer weniger zu tun. Denn es geht mittlerweile um die Existenz einer Säule der heimischen Medienlandschaft, ja des größten Medienunternehmens im Land: Der ORF steht zur Disposition. Das begreifen zurzeit immer mehr im Land, und es mehren sich auch in den anderen (Print-)Medien die Stimmen, die vor dieser Entwicklung warnen.

Zuletzt äußerte sich auch Doyen Hugo Portisch, Mitinitiator des legendären Rundfunk-Volksbegehrens 1964 (übrigens: immer noch das einzige Volksbegehren der Republik, das je zum Gesetz wurde!) äußerst besorgt. Man kann dem Altvorderen nur beipflichten, wenn es darum geht, den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ohne Wenn und Aber zu verteidigen.

Die Zivilgesellschaft ist gefordert

Natürlich bleibt klar: 2018 ist nicht 1964, die medialen Gegebenheiten im 21. Jahrhundert haben sich rasant verändert (vgl. Seite 17 dieser FURCHE). Aber gerade in der diffusen globalen wie lokalen Informationslage, in der immer weniger sicher und sichtbar scheint, was wirklich relevant ist, gibt es neue und gute Argumente für öffentlich-rechtliche Medien, die eben nicht von wirtschaftlichen oder politischen Interessen diverser Betreiber abhängig sind. Auf ein Schlagwort gebracht: Die Zivilgesellschaft muss ein eminentes Interesse daran haben, dass es hierzulande den ORF gibt.

Anders gesagt: Es ist eine Debatte darüber zu führen, wie öffentlich-rechtlicher Rundfunk anno 2018 auszusehen hat und wie seine Existenz -inhaltlich wie finanziell - gesichert werden kann. Das meint natürlich nicht die bloße Absegnung des Status quo: Natürlich muss sich der ORF befragen lassen, ob er einem öffentlich-rechtlichen Anspruch denn auch gerecht wird.

Empörend, dass der unabhängige Stiftungsrat abgelöst wird

Dabei sind handwerkliche Schnitzer wie der hochgekochte Tirol heute-Beitrag nicht der große Brocken, wiewohl natürlich auch journalistisches Qualitäts-und Fehlermanagement wichtig bleiben. Eine allzu große Berührung zwischen Kommerz und ORF ist da ebenso zu thematisieren wie politische Einflussnahme. Wenn die grundsätzlich positive Regionalisierung in Radio und TV gleichzeitig mit einer die jeweiligen "Landesfürsten" affirmierenden Berichterstattung einhergeht, dann steht der öffentliche Mehrwert, auf den der ORF selber so sehr pocht, auf dem Spiel.

Leider ist die gremiale Konstruktion des ORF doch wieder so politisch, dass es zum Fürchten ist. Ein Regierungswechsel, und gut österreichisch werden die Aufsichtsorgane nach politischer Couleur stracks neu besetzt -und zwar unabhängig von inhaltlichen Notwendigkeiten. Das ist bei den ÖBB so wie beim ORF. In der Medienanstalt wird das aber fatal, weil es auch um den Einfluss auf öffentlichen Diskurs und demokratische Kultur geht. Empörend, dass nun der von den Kirchen entsandte ORF-Stiftungsrat Franz Küberl, der sich keiner der politischen Seilschaften in den ORF-Gremien zuordnen ließ, in die Wüste geschickt wird. Als Katholik kann man gegen diese Vorgangsweise der Kirchenleitung nur protestieren. Und als Bürger verwahrt man sich sowohl dagegen, dass dem ORF als Ganzes Lüge unterstellt wird, als auch, dass parteipolitische Interessen einmal mehr die Unabhängigkeit des ORF konterkarieren.

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