Eine Welt des Übergangs

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Ein Szenario des Abschieds kündigt bereits der Titel "Wir brauchen einen ganz anderen Mut! Stefan Zweig - Abschied von Europa" an. Kurator Klemens Renoldner, Leiter des Salzburger Zweig-Centres, begleitet in seinen Kommentartexten die Besucher auf ihrer Reise in Zweigs biografische und literarische Welt(en).

Die Schau hat gewissermaßen auch mit dem Gedenken an 1914 sowie 1934 zu tun, denn in seiner im Exil verfassten Autobiografie "Die Welt von Gestern" erinnert sich Zweig an die Epoche vor dem Ersten Weltkrieg. Sowohl für den damals 33-jährigen Autor als auch für die Welt waren die Kriegsfolgen verheerend. Im Februar 1934, nach einer Hausdurchsuchung des weltberühmten Pazifisten, sollte Zweig Österreich für immer verlassen. Die Bedrohung durch die Gestapo, die Erfahrungen von Flucht und Emigration inszeniert Ausstellungsgestalter Peter Karlhuber im Theatermuseum äußerst eindringlich. Karlhuber konzentriert sich auf den Moment der Flüchtigkeit, er präsentiert Briefe und Manuskripte auf Umzugskartons, wir bewegen uns -wie Zweig selbst - in einer Art Zwischenwelt, denn die alte ist verloren, eine neue noch nicht in Sicht. Filmaufnahmen und zahlreiche Fotografien unterstützen die Kraft und den Sog der Ausstellung in jene Atmosphäre, die das Exil für Zweig bedeutet hat. "Am Tage, da ich meinen Paß verlor, entdeckte ich mit 58 Jahren, daß man mit seiner Heimat mehr verliert als einen Fleck umgrenzter Erde." Der Verlust Europas bedeutete für Zweig gewissermaßen auch den Verlust der Existenz.

Die "Schachnovelle"

Stefan Zweig und seine Frau suchten am 23. Februar 1942 den Tod. Am Abend davor hatte Zweig das Manuskript der "Schachnovelle" zur Post gebracht. In der Isolation des Exils in Brasilien wusste er nicht weiter, ähnlich wie sein obsessiver Schachspieler in der Novelle endet die Geschichte tragisch. Ein Ausstellungs-Raum ist ausschließlich dieser wohl bekanntesten Arbeit Zweigs gewidmet. Gestalterisch verwickelt die Schau in Entstehungs-, Rezeptions-und Zeitgeschichte: Der Boden ist als riesiges Schachbrett organisiert, im Zentrum steht ein Modell des Hotel Metropol. Nähert man sich diesem, starten kurze Filmsequenzen von Personen, die von ihren Folterqualen und Traumatisierungen erzählen. Das Hotel war 1938 beschlagnahmt und zum Gestapo-Hauptquartier umfunktioniert worden. Hier wurden Verhöre durchgeführt, Personen inhaftiert; so auch der spätere Bundeskanzler Bruno Kreisky.

Im anderen Raum ist Zweig inmitten einer Welt damaliger Intellektueller und Künstler präsent: Maxim Gorki und Max Brod, Franz Werfel und Else Lasker-Schüler, die Brüder Mann, Hugo von Hofmannsthal, aber auch Max Reinhardt zählten zum Netzwerk der Familie Zweig. Alle bedeutenden Persönlichkeiten des Kunst-und Kulturlebens finden hier ihren Platz, wenn auch nur in wenigen Brief-Ausschnitten, auf Umzugskartons geklebt. Renoldners Ausstellung setzt auf Symbolik: Fast alle Genannten waren verfolgt und mussten -wie auch Zweig -ins Exil gehen. Die deutschsprachige Intelligenz wurde aus Österreich vertrieben, zurück blieben leere Wände und düstere Ahnungen davon, welche Geistesgrößen die Nazis verfolgten und ermordeten.

Fragen zu Gegenwart und Zukunft

Das Begleitbuch versammelt Beiträge renommierter Literaturwissenschaftler als auch Texte von Autorinnen, etwa der Auschwitz-Überlebenden Ruth Klüger, die Zweigs Überlebensstrategien sowie jene seines Schachspielers in der Novelle zusammendenkt. Die Germanistin Daniela Strigl nennt Zweig einen "Taucher in seiner Glocke", weil er bereits mit dem Ende des Habsburgerreichs einen Teil seiner Identität verloren hatte. In Bezug auf das heutige Europa resümiert der Literaturwissenschaftler Rüdiger Görner Zweigs Themen von Nationalismus und europäischer Integration.

Ausstellung und Buch fassen den Bogen zu Fragen von Gegenwart und Zukunft. Ein Aspekt bleibt als Imperativ zukunftsweisend stehen: der prägnante Titel "Wir brauchen einen ganz anderen Mut!". Diesen Satz schrieb Zweig wenige Monate vor seinem Tod an den ebenso nach Südamerika emigrierten Schriftsteller Paul Zech.

Wir brauchen einen ganz anderen Mut! Theatermuseum, bis 12. Jänner 2015 täglich außer Di 10-18 Uhr www.theatermuseum.at

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