Einen Gedenk-Burger verteilen

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Bundestheater-Chef Georg Springer präsentierte umstrittenen Beitrag zum Jubiläumsjahr 2005: Unorthodoxe Ideen zwischen Provokation und Disneyland der Geschichte.

Wien 1945: Kühe weiden vor dem Belvedere, Gemüse wird am Heldenplatz angebaut. Und die us-Besatzung verteilt carePakete an die Bevölkerung. Jede Chance zur Nahrungsbeschaffung wird genützt.

Wien 2005: Kühe weiden vor dem Belvedere, Gemüse wird am Heldenplatz angebaut. Und McDonalds verteilt McCare-Pakete an die Bevölkerung. Jede Chance zur publikumswirksamen Erinnerung wird genützt.

25 Projekte unter dem Titel "25 Peaces - Die Zukunft der Vergangenheit" machen den umstrittenen Jubiläumsjahr-Beitrag von Bundestheaterchef Georg Springer und Graz-2003-Intendant Wolfgang Lorenz aus. Die Initiatoren wollen das Großprojekt vor allem durch Sponsoring finanzieren. Ein Zehntel der knapp zehn Millionen Euro, die veranschlagt sind, steuert das Bundeskanzleramt bei.

Am 12. März sollen Lichtinstallationen von Norbert Chmel an den verheerenden Bombentag 60 Jahre zuvor gemahnen - mit Projektionen am Stephansplatz, Neuen Markt und Albertinaplatz. Am 15. Mai sind neun Kopien des Belvedere-Balkons in allen Bundesländern unterwegs, damit jeder einmal "Österreich ist frei" herunter rufen kann wie weiland Leopold Figl.

Ein Teppich von weißen Kreuzen soll sich vom "Führerbalkon" auf den Heldenplatz hinunterziehen - zum Gedenken an "alle zivilen Opfer des Krieges, egal ob sie aus ethnischen, religiösen, politischen oder sonstigen Gründen sterben mussten". Dass ein weißes Kreuz für einen Juden nicht die adäquate Form des Gedenkens ist, hält Wolfgang Lorenz bei der Projektpräsentation dann aber schon für einen berechtigten Einwurf.

In allen 162 McDonalds-Filialen soll es ab April ein so genanntes McCare-Paket zu kaufen geben, als Analogie zu den care-Paketen der Nachkriegszeit - beides, care und McDonalds, ist laut Springer eine Art des Kulturimperialismus: Zu jedem Hamburger sei Ideologie beigepackt, genauso "wie die care-Pakete eine Kolonialisierung im Sinne der amerikanischen Ideologie" gewesen seien, so Springer, der sich wundert, dass McDonalds überhaupt auf den Deal eingestiegen ist. Der Furche gegenüber bezeichnet Springer die Idee von McCarePaketen als zynisch. Eine "Riesen-Gaudi" habe die Planerrunde gehabt, als die Idee geboren wurde, und der Fast-Food-Konzern macht mit - "obwohl die doch draufkommen müssten, dass das negativ auf sie zurückfällt". Doch immerhin soll dem Gedenk-Burger (der Erlös kommt übrigens der Hilfsorganisation care zugute) auch eine Informations-cd beiliegen.

Ab 8. Mai, dem Muttertag und Datum des Kriegsendes, gibt es in ausgewählten Gaststätten des Bundes österreichischer Gastlichkeit (bög) Speisen mit maximal 850 Kalorien - etwa so viel stand den Nachkriegsösterreichern als tägliche Ration per Essensmarken zu. Die Gerichte werden in den Traditionen der jeweiligen Besatzer sein. Vom "Genuss des Außergewöhnlichen" sprechen Springer und Lorenz bei diesem Projekt. Ein Muttertagstipp?

Ob öffentliche Gartenarbeit mit Burger-Jause zum Ziel führt? Springer zur Furche: "Ich kann die Leute nicht zum Nachdenken zwingen. Wenn ich unter 100 Leuten zehn erreicht hab, die über die Gegenwart hinaus denken, dann hab ich in meinem eigenen Himmel einen sicheren Platz."

Bei allem Enthusiasmus, den die Veranstalter an den Tag legen, fällt doch auf: Noch scheint die Durchführung vieler Projekte - fünf davon setzen sich mit zehn Jahren österreichischer EU-Mitgliedschaft auseinander - unklar, in der Diskussion erweisen sich Ideen als mangelhaft durchdacht. Doch Springer und Lorenz wollen die junge Generation ansprechen - womöglich muss das tatsächlich plakativ sein.

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