Einer auf dem "Weg der Mitte"

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Wir leben in einer kargen, winterlichen Zeit -für die Religiosität im Allgemeinen und für die christlichen Kirchen im Besonderen. Glaubensinhalte, Traditionen und Institutionen sind in den Schatten einer enormen Vertrauenskrise geraten. Die Stichworte dafür sind wohlbekannt: die Missbrauchsfälle im Klerus; die Enttäuschungen über römische Haltungen und Intrigen; die ökumenischen Verzögerungen und Verweigerungen -und das post-moderne Großklima zwischen Zweifel und Beliebigkeit.

Das bedeutet: weg von einer Verankerung im Religiösen. Hin zur Unverbindlichkeit esoterischer Ersatz-Spiritualität. Hin zur Idylle kleiner Gemeinschaften. Auch hin zu hermetischen Zirkeln elitär-konservativer Kirchlichkeit.

Unter so viel Schutt werden Antworten auf die Frage nach dem Wesentlichen immer schwieriger: Was heißt heute "christlich" - nicht dogmatisch, sondern alltagstauglich? Persönlich habe ich einmal versucht, den Kern in wenigen Sätzen aufzuschreiben, möglichst zeitgemäß. Und bin gescheitert.

Ein Wegweiser fürs Leben

Dann aber habe ich einen Wegweiser gefunden -einen, der nicht mehr unter uns ist. An einem 13. März ist er fortgegangen, genau vor 15 Jahren: Kardinal Franz König. Über Jahre hinweg habe ich ihm zuhören dürfen, fasziniert von seiner Weite und Tiefe. Bis zum Tod war er wach und neugierig, dialogfähig und bescheiden, verständnisvoll und erfrischend angstlos gegenüber allen Stolpersteinen unserer Zeit. Vor allem aber tiefgläubig.

Bei ihm habe ich wichtige Haltegriffe gefunden. Dankbar möchte ich an manche davon erinnern. Zunächst: König hätte gesagt, dass niemand sagen dürfe, wer zur Kirche gehört und wer nicht. Und er hätte hinzugefügt, dass auch die Fernstehenden einen Schutzmantel um die Kirche bilden -und viel Gutes tun.

Dann: Er hätte betont, dass die Kraft der Kirche nicht daraus wachse, lauter Heilige zu haben. Für ihn war sie zunächst ein Ort des Wachsens, der Heilung und der Heiligung - auch über die eigenen Glaubensgrenzen hinaus.

Immer wieder hätte er uns auch ans Herz gelegt: Wer nur redet, aber nicht zupackt und Ernst macht, der hat keine Religion.

Und bei allem Verständnis für so viel Vielfalt im Christentum würde er uns bitten, nie vom "Weg der Mitte" abzuirren. "Wer die Mitte verlässt, der verlässt die Menschlichkeit", hat er den Philosophen und Naturforscher Blaise Pascal oft zitiert -"denn die Mitte liegt immer vorn".

Unvergleichlich präzise aber hat König den Kern des Christlichen so zusammengefasst: "Wahrscheinlich haben wir zu viel über alles Mögliche geredet und dabei die drei schlichten Grundelemente christlichen Lebens einfach an den Rand gedrängt: Das Beten, das Fasten und das Almosen geben. Beten -Meditieren -heißt: Seine Beziehung zur Schöpfung und zum Schöpfer zu klären. Fasten, das heißt: Sich überwinden lernen, Nächstenliebe statt Egoismus. Und Almosen geben, das beginnt beim guten Wort in der eigenen Familie und geht bis tief in die Dritte Welt hinein "

Heinz Nußbaumer Herausgeber

Für Kardinal König war die Kirche zunächst ein Ort des Wachsens, der Heilung und der Heiligung -auch über die eigenen Glaubensgrenzen hinaus.

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