Einer von Wallensteins Mördern

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Auf den Spuren der Leslies, eines heute weitgehend unbekannten Geschlechts, das im 17. Jahrhundert in der österreichischen Geschichte gehörig mitmischte.

Üppige Blütenranken umgeben ein idyllisches Bild mit einem Liebespaar, Odysseus bietet Polyphem den verderblichen Trank, Jäger lauern dem Wild auf: Prachtvolle flämische Gobelins leuchten in allen Farben. Sie sind als "Erbe der Leslies" im Besitz des slowenischen Museums Schloss Oberpettau, wo sie nun wieder die Räume schmücken, nachdem sie in der Nationalgalerie Ljubljana ausgestellt waren.

Wer aber waren diese Leslies? Historikern ist ein Feldherr dieses Namens im Zusammenhang mit der Türkenbelagerung Wiens bekannt, in Graz trägt das Gebäude des Joanneums den Namen "Leslie-Hof", Dokumente liegen in Archiven in Graz und Wien.

Die Spurensuche beginnt in Schottland, von wo ab dem 11. Jahrhundert immer wieder nicht-erstgeborene Adelssprösslinge nach Kontinentaleuropa emigrierten. Der Sage nach war der erste Leslie, der legendäre Bartolf, im 11. Jahrhundert ein Gefolgsmann des schottischen Königs Malcolm III.. Seine Nachkommen erwarben kriegerischen Ruhm im Dreißigjährigen Krieg, als viele Schotten in fremden Armee dienten; Klingende Namen wie Don Diego Leslie und George Archangel Leslie, Il Cappucino Scozzese zeugen von der weiten Verbreitung der schottischen Familie in ganz Europa.

Im Jahr 1606 wurde Walter Leslie geboren, zweiter Sohn aus seines Vaters dritter Ehe. Das Prinzip der Primogenitur schloss ihn von jedem Erbe aus, so dass auch er sein Glück auf dem Kontinent suchte und in die Dienste Ferdinands II. trat. Zusammen mit dem ebenfalls aus Schottland stammenden kaiserlichen Oberst John Gordon, dem Kommandanten von Eger, und dem Iren Walter Graf von Butler war Leslie maßgeblich an der Verschwörung gegen Albrecht Wallenstein und dessen Ermordung 1643 in Eger beteiligt. Der Kaiser dankte großzügig: Leslie wurde Kanzler, bekam das Kommando über zwei Regimenter, wurde zum Reichsgrafen erhoben und erhielt Güter in Böhmen. Er diente auch Ferdinand III., der ihn in geheimer Mission zu Papst Innozenz X. nach Rom schickte. Um 1656 kaufte er Schloss Oberpettau von den Jesuiten und wahrscheinlich auch Besitzungen in Graz und VaraÇzdin. Seine Karriere wurde schließlich mit dem Titel "Hofkriegsrat" und dem Orden vom Goldenen Vlies gekrönt.

Walter Leslies Ehe blieb kinderlos, weshalb er seinen Neffen James zum Erben einsetzte. Er sah noch die Hochzeit dieses Neffen mit einer Prinzessin Liechtenstein, dann starb er 61-jährig und wurde in der Wiener Schottenkirche - auch sie ein Beleg für die jahrhundertelangen schottischen Migrationsströme - begraben.

James kam aus Schottland und wurde in der Steiermark erzogen. Unter Leopold I. zeichnete er sich als kaiserlicher Feldmarschall 1683 in der Türkenbelagerung Wiens aus und vertrieb die Türken aus Osijek (Esseg), wo er türkische Magazine sprengte, die Stadt plünderte und die Draubrücke in Brand setzte.

Er war aber nicht nur ein rücksichtsloser Militär: In Graz kaufte er von den Benediktinern den dann nach ihm benannten Leslie-Hof, seine Gattin Maria Theresia Prinzessin Liechtenstein stiftete 1690 das heute noch bestehende Kloster der Elisabethinerinnen mit einem modernem Spital und holte Nonnen aus den Niederlanden. Im Grazer Dom führte sie die Fußwaschung am Gründonnerstag ein.

James Leslies Großneffe Karl Kajetan verbrachte die meiste Zeit in Pernegg, wo er mit dem Kaplan der Kirche eng befreundet war. Die Fama berichtet, er habe ihn sogar zu Wettbewerben im Trinken herausgefordert. Eine Grabplatte im Chorfußboden der Kirche verkündet noch seinen Namen.

Nur noch Grabsteine

Karl Kajetans Sohn Anton war der letzte der österreichischen Linie der Leslies, die mittlerweile mit vielen heimischen Adelsfamilien verwandt war. Als der 1802 starb, erbte die Familie Dietrichstein Schloss Oberpettau, ihr Erbe wiederum war das Geschlecht der Herberstein. Der Grazer Lesliehof wurde 1811 Sitz des Joanneums. Nach 1945 wurden die Herberstein vom Jugoslawischen Staat enteignet. Schloss Oberpettau, heute das slowenische Ptuj, ist nun ein Museum, zu dessen Schätzen das Erbe der Leslie gehört.

Worin aber besteht diese Hinterlassenschaft? Die reiche Ausstattung des Grazer Palais, die goldene Kutsche, Bilder, Möbel, Silber und Porzellan sind verstreut und verschollen. Erhalten aber blieben zehn der ursprünglich 47 kostbaren flämischen Tapisserien, die aus Graz nach Pettau verbracht worden waren. Im Lauf der Jahrhunderte traten Schäden auf, so dass eine Restaurierung notwendig wurde. Nun aber kann man diese barocken Kunstwerke von europäischem Rang im Museum Schloss Oberpettau bewundern. Konservatorische Maßnahmen haben ihre Lebenszeit verlängert, doch das ist die Tragödie aller textilen Objekte: Ihre Lebensdauer ist kurz, viel zu kurz, und wenn sie zerfallen sind, bleiben nur mehr einige Grabsteine von dieser einst so bedeutenden Familie, die heute nur mehr eine Miszelle, eine Fußnote der Geschichte darstellt.

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