Einfach sein, wie es ist

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Die Sammlung Essl bietet einen Überblick über die

gehypte "Neue Leipziger Schule".

Seit einigen Jahren erlebt das Label "Neue Leipziger Schule" einen Höhenflug an der Kunstmarktbörse, der im Börsenjargon schon eine Blase befürchten lässt. Die zumeist noch jungen Stars, die unter diesem Markennamen firmieren, erzielen nicht nur Höchstpreise, bei der letztjährigen Kunstmesse in Miami hängte man bereits achtzehn Minuten nach der Eröffnung das Schild "Ausverkauft" an den Stand; es gibt eine inoffizielle Warteliste für Bilder aus dieser Stadt, die noch gar nicht gemalt sind. So mancher lang gediente, mit dem Kapitalismus wohlvertraute Wessi wirft da dann schon ab und zu einen neidvollen Blick gen Osten.

Leichte Muse?

Da ist der österreichische Blick auf das Phänomen unverfänglicher, wenngleich ebenso staunend. Denn das Leipziger Angebot stürmt nicht mit knalligen Malereislogans auf die Betrachter ein, wie etwa: Wir waren 40 Jahre lang im Verlies und holen jetzt alles nach, schaut her. Ganz im Gegenteil, diese Malerei scheint vermitteln zu wollen, dass sie belanglos ist. Keine malerische Analyse komplexer sozialkritischer Zusammenhänge, kaum einmal eine versteckte Doppelbödigkeit, alles scheint nur zu sein, was es eben ist. "Irgendwann waren die Museumsbesucher einfach müde, sich immer die 20-Minuten-Videos anzusehen und als Banausen zu gelten, weil sie nicht bis zum Ende durchgehalten haben", sagt der Galerist und Vermarkter der ersten Stunde, Gerd Harry Lybke. Nach Jahren anstrengender Museums-und Galeriebesuche nun also die Chance, sich ebendort mit der leichten Muse vergnügen zu können? Nach einer Kunst, die bei den Betrachtern die Hirnfalten quasi nach außen zu Stirnrunzeln geklappt hat, nun endlich wieder etwas fürs Auge? Das hieße wohl Äpfel mit Birnen vergleichen.

Die Schau in der Sammlung Essl bietet einen breiten Überblick zu diesem Label "Made in Leipzig" und liefert auch die Schwierigkeiten mit, die diese Zusammenfassung unterschiedlicher Künstlerpersönlichkeiten unter eine Überschrift mit sich bringt. Nur der Name einer Stadt ist für den Anspruch, eine "Schule" zu sein, zu wenig, auch wenn dieser Anspruch bloß eine Marketingstrategie sein sollte.

Auch unter den rein formalen Aspekten driften die einzelnen Vertreter weit auseinander. Zwar gibt es eine mittlerweile über drei Generationen reichende Tradition, aber bereits bei den "Gründervätern" zeichnen sich Verschiedenheiten ab. So unterscheidet der Kunsthistoriker Lothar Lang eine expressiv-leidenschaftliche Strömung, der er Bernhard Heisig zuordnet, und eine nüchtern-sachliche, die Wolfgang Mattheuer und Werner Tübke vertreten. Diese Unterteilung lässt sich auch auf die zweite Generation der Lehrer noch einigermaßen übertragen, Sighard Gille würde demgemäß zur ersten gehören, Arno Rink zur zweiten. Gewonnen ist damit noch nicht wirklich viel.

Abgeklärte Dreißigjährige

Viel eher scheinen "die Leipziger" in der Gestaltung von narrativen Bildern eine Lücke in der zeitgenössischen Kunstszene auszufüllen, die bis vor kurzem sogar noch verpönt war, nun aber im Ping-Pong-Spiel der Moden, vor dem selbstverständlich auch der Kunstmarkt nicht verschont bleibt, auf der Wunschliste steht. Aber entgegen den großen Erzählungen aus den Götter-und Heldensagen, die die Menschen in eine großartige Zukunft mitreißen wollen, präsentieren sich "die Leipziger" als desillusionierte Dreißigjährige, die zu früh in die Abgeklärtheit des hohen Alters gerutscht sind. Damit besetzen sie eine klare Gegenposition. Als Betrachter kann man sich nun natürlich fragen, ob dieses triste Bild unserer Gegenwart, das diese ausgebrannten Erlebnisgesellschafter zeichnen, nicht wirklich das getreueste Abbild vor Augen stellt. Ob das allerdings reicht, wo Kunst doch schon seit über hundert Jahren "Verwirklichung" meint? Auf jeden Fall wünscht man sich selber weniger Déjà-vu-Erlebnisse, und den Sammlern kein Blasenleiden.

Made in Leipzig.

Bilder aus einer Stadt

Sammlung Essl, An der Donau-Au 1, 3400 Klosterneuburg

Bis 3. September. Di-So 10-19,

Mi 10-21 Uhr

Katalog: Edition Sammlung Essl Privatstiftung (Hg.), Made in Leipzig. Bilder aus einer Stadt. Klosterneuburg 2006, 230 Seiten, e 32.90

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