Einmal (fast) um die ganze Welt

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Das Wiener Volkstheater zeigt Peter Turrinis "Der Riese vom Steinfeld“ als kurzweiliges, beschwingtes Musical mit hohem Unterhaltungswert.

Es wird auffallend viel gesungen und getanzt auf den Wiener Theaterbühnen. Von der Josefstadt bis zum Akademietheater breitet sich derzeit ein dichter Klangteppich aus. Ob dies mit der viel diskutierten Musikalisierung des Theaters zusammenhängt oder einfach damit, dass sich in Krisenzeiten das Leben mit einem Lied auf den Lippen leichter ertragen lässt, sei dahingestellt. Mit Peter Turrinis "Der Riese vom Steinfeld“ eröffnet das Volkstheater nun die neue Saison ebenfalls mit einer bunten Musikrevue, und auch die beiden nächsten Premieren des Hauses ("Bon Voyage“ und "Comedian Harmonists“) stehen ganz im Zeichen des Singspiels.

"Der Riese vom Steinfeld“ wurde 2002 als vielbejubelte Oper, komponiert von Friedrich Cerha, in der Regie Jürgen Flimms an der Wiener Staatsoper uraufgeführt. Turrini hat sein Libretto kurz darauf zu einer Theaterfassung umgeschrieben und 2005 in Frankreich erstmals präsentiert. Das märchenhafte Stück orientiert sich an Motiven des Kinderliedes "Hänschen klein“ und erzählt die wahre Lebensgeschichte des Franz Winkelmeier (1860-1887) aus Oberösterreich, der zu seiner Zeit als größter Mensch der Welt auf den Jahrmarktsplätzen Europas bestaunt und verspottet wurde.

Zart-tragische Liebesgeschichte

Der tragische Held (Roman Schmelzer auf hünenhaften Plateauschuhen) verlässt seine Mutter (Claudia Sabitzer), um die große weite Welt kennenzulernen. Bis nach New York soll die Reise gehen, doch soweit werden ihn die überlangen Füße gar nicht tragen, stattdessen stolpert er gemeinsam mit dem geschäftstüchtigen Klammerschneider (Ronald Kuste) quer durch Europa von einer skurrilen Begebenheit in die nächste. In Berlin muss er sich mit Soldaten aus dem Heer Wilhelms II. messen, in London will die tolldreiste Königin Victoria ihn besteigen. Danach wird er auch noch vom Erfinder des Wasserklosetts (der sich alsbald als Erfinderin entpuppt) umgarnt und muss mit einem Riesendildo um die Hüften in der Stadt der Liebe für Aufsehen sorgen. Bereits schwer lungenkrank wird er von seinem Impresario an einen Wanderzirkus verkauft. Als sich der Riese dort in die kleine Frau (ChrisTine Urspruch) verliebt, wird die zarte Liebesgeschichte vom Zirkusdirektor sofort als perverse Sensation ausgestellt und das Paar von den geifernden Massen verhöhnt.

Ganz schön viel los für gerade einmal neunzig Minuten Aufführungsdauer. Ebenso rasch wie die einzelnen Szenenbilder wechseln, schlüpft das Ensemble von Szene zu Szene in über vierzig verschiedene Rollen. Stephanie Mohr inszeniert diese tragisch-komische Geschichte als seichte Nummernrevue, zwischen denen der Musiker Kyrre Kvam, der Turrinis Reime zu schrägen Volksliedern vertont hat, kleine Gesangsbrücken baut. Auf der Bühne ist Kvam als Alter Ego des Riesen und sein singendes Spiegelbild zu hören, unterstützt wird er dabei von der Chorvereinigung Wien-Neubau, die die Handlung von einer Zuschauerloge aus,als Kommentatoren begleitet.

Unüberschaubare Themenfülle

Zum Schluss kehrt der Riese wieder nach Hause zurück und stirbt wenig später in den Armen seiner Mutter. Als fremdenverkehrswirksame Attraktion soll er nun am Dorffriedhof begraben werden. Dumm nur, dass der tote Riese nicht in den Sarg passen will, also wird kurzerhand mit einer Säge was nicht passt, passend gemacht.

Mohr nimmt Versatzstücke aus dem Varieté, dem Musical und dem Alt-Wiener Volkstheater und vermischt all das zu einem beschwingt fröhlichen Theatersingspiel. Auf der Strecke bleibt der szenische Aufbau, der die dünne Handlung unterstützen könnte, und auch den Figuren fehlt es, trotz guter Schauspielleistung, an Tiefgang und Überzeugungskraft. Gelungen sind hingegen die Musik- und Tanzeinlagen, und auch Turrinis Text besticht gesungen weit mehr als gesprochen. Das Stück ist angereichert mit einer unüberschaubaren Themenfülle, von Geschichtsaufarbeitung bis hin zu Medien- und Tourismuskritik ist alles dabei. Mehr als ein kurzweiliges Musical mit verschmitzten Textzeilen und grellen Kostümen ist daraus nicht geworden, dem Unterhaltungswert tut das aber keinen Abbruch.

Weitere Termine

13., 15., 20., 22., 23., 25. Sept., 3., 8., 9., 13., 16., 20., 21., 29., 30. Okt.

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