Die Ernst-Jandl-Tage in Neuberg an der Mürz waren ein Fest der Poesie, auf dem neben Preisträger Michael Donhauser viele lyrische Stimmen zu Wort kamen.
Dass die Jury seine Lyrik "unzeitgemäß" nannte, freute Michael Donhauser, den diesjährigen Ernst-Jandl-Preisträger, und in seiner Preisrede sagte er, was er darunter versteht: "Sich seine Aufgaben nicht von der Zeit diktieren zu lassen." Das Gedicht ist für ihn ein fragiler, kurzer Moment, aber "reicher als vieles, was in Gedanken zu bewerkstelligen ist". Sein Beharren darauf, dass Poesie regional ist, interpretierte der Literaturwissenschaftler Jörg Drews als Widerstand gegen die amerikanisch durchkolonialisierte Lebenswelt und als "einmalig eigensinnig".
Poesie kam in Neuberg an der Mürz, wo am vergangenen Wochenende die Ernst-Jandl-Tage zum dritten Mal stattfanden, auf sehr hohem Niveau zu Wort - bei Donhausers Lesung und seiner Interpretation eines Jandl-Gedichtes, aber auch in den Stimmen der anderen Lyrikerinnen und Lyriker aus Österreich, Deutschland, der Schweiz sowie Slowenien und Rumänien. Auffällig waren die Reminiszenzen an antike Mythologie und die Begegnung mit Oden, Vergils Eklogen oder Petrarcas Sonetten. Jury-Mitglied Heinz Schafroth brachte es auf den Punkt: Es gibt heute sowohl die Freiheit zur Form als auch die Freiheit von ihr.
Nicht nur bei einem Vortrags-Genie wie Oswald Egger wurde deutlich, dass ein Gedicht nicht nur Buchstaben auf Papier sind, sondern intensive Klangkörper, deren Realisationen Hör-Abenteuer schaffen können. Auch deswegen war es wichtig, die beiden sehr unterschiedlich angelegten Texte der grandiosen slowenischen Poeten UroÇs Zupan und AleÇs ÇSteger sowie die Sprach-Berserkereien des Rumänen Daniel BØanulescu auch im Original hören zu können.
Faszinierend waren die unterschiedlichen Lesungen und Aufführungen von Jandl-Gedichten - langsam muss man sich ja daran gewöhnen, Jandl nicht mehr von Jandl zu hören. Joachim Bißmeier und Andrea Jonasson lasen denn auch sehr bekannte Jandl-Gedichte auf ihre eigene Weise. Grandios war Wolfram Berger mit seinem Programm "Jandln - Jazz me if you can" in der Wartehalle des aufgelassenen Bahnhofs von Neuberg, während Christian Muthspiels musikalisch fulminante Aufführung bisweilen Gefahr lief, Jandl-Texte als bloßes Klangmaterial zu "verwerten".
Lyrik-Leser sind für Jörg Drews eine kleine, radikale Minderheit. In Neuberg stellten sie für ein Wochenende beinahe die Mehrheit und musste sich ihre radikale Sprach-Versessenheit nicht verteidigen.
Infos über die Ernst-Jandl-Lyriktage:
www.art.austria.gv.at