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Der Popstar der Physik hat Künstler bis in die Gegenwart hinein inspiriert.

Beim Stichwort "Einstein und die Kunst" fällt einem meist das Bild des geigenden Physikers ein, Architekturkenner denken vielleicht auch an den Potsdamer Einstein-Turm, der zu einer Ikone expressionistischer Architektur geworden ist. Allerdings decken diese Assoziationen keinesfalls das vielfältige Beziehungsgeflecht ab, das zwischen Einstein und der Kunst besteht. Es umfasst praktisch alle Bereiche, von den bildenden bis zu den darstellenden Künsten, von Literatur bis zur Musik. Dabei haben nicht nur die Faszination und Popularität von Einsteins Persönlichkeit, sondern auch seine wissenschaftlichen Theorien selbst, insbesondere seine Relativitätstheorie, die Künstler bis in die Gegenwart hinein inspiriert.

Diese künstlerische Inspiration erschöpft sich keineswegs in einem rein rezeptiven Verhältnis, das den Gelehrten zum Motiv für Maler und Bildhauer oder zum Vorbild für Titelhelden von Theaterstücken, Opern, Romanen oder Filmen werden ließ. Ein frühes Beispiel ist Max Brods Roman "Tycho Brahes Weg zu Gott", in dem Einstein zum Vorbild für die Kepler-Figur des Romans wurde. Daneben gibt es zahllose Gemälde, Skulpturen und Denkmäler von Einstein, darunter mehrere Porträts von Max Liebermann aus den zwanziger Jahren und auch eine Graphik Pablo Picassos.

"Spuren des Lichts"

Ebenfalls haben Komponisten Einstein Musikstücke gewidmet oder ihn sogar zum Titelhelden von Opern gemacht. Eine Ehre, die gewöhnlich nur antiken Helden zuteil wird. Die jüngste, im letzten Jahr in Ulm aufgeführte Einstein-Oper "Spuren des Lichts" des österreichischen Komponisten Dirk d'Ase spielt im Jahre 1954 und thematisiert sowohl den nach Erkenntnis strebenden Gelehrten wie die Frage nach der gesellschaftlichen Verantwortung des Wissenschaftlers. Letzterer Themenkomplex steht auch im Mittelpunkt der Oper von Paul Dessau "Einstein". Diese, 1974 an der Berliner Staatsoper uraufgeführt, steht ganz in der Tradition des didaktischen Theaters Bertolt Brechts und ist keine dramatisierte Biographie des Physikers, sondern die Figur Einsteins dient vielmehr als Symbol, um sich mit der Frage nach der Verantwortung des Wissenschaftlers auseinander zu setzen. Ganz anders geht die 1976 erstmals aufgeführte Oper "Einstein on the Beach" von Philipp Glass mit dem Thema Einstein um. Konkrete Inhalte vermittelt sie nicht. Vielmehr erzeugen der gesungene und gesprochene Text, aus Zahlen und Gedichten bestehend, sowie die meditativen Tonkollagen Assoziationen zu Vorgängen und Ereignissen, die in einem losen Bezug zu Einsteins Leben und Werk stehen. Dieses "symbolische Festspiel in vier Akten" gilt als Meilenstein in der Entwicklungsgeschichte der modernen Oper und ist unter den drei Einstein-Opern sicher die einflussreichste. Die Brücke zur Kunstgeschichte schlagend, könnte man sie mit einem abstrakten Gemälde und dessen revolutionären Rolle in der Entwicklungsgeschichte der Malerei vergleichen.

"Klugscheißerei ohne Basis"

In der Tat liegt es nahe, die Physik Einsteins in eine direkte Beziehung zur modernen Kunst zu setzen. So ist die historische Parallelität frappierend, mit der Einstein die Raum-Zeit-Vorstellungen in der Physik revolutionierte und ein Picasso gleiches für die moderne Malerei leistete. Welche Herausforderung Einsteins neuartige Raum-Zeit-Vorstellung für die Kunst bedeutete, macht das Beispiel des Holländers Theo van Doesburg deutlich, der sich in den zwanziger Jahren mit der Relativitätstheorie auseinandersetzte und aus der darin konstatierten Union von Raum und Zeit folgerte, dass die Bestimmungen der klassizistischen Kunsttheorie, wonach Musik und Literatur nur in der Zeit, die bildenden Künste dagegen nur im Raum existieren, nicht mehr aufrechtzuerhalten sei. Sollte das moderne Kunstwerk mit der modernen Physik in Einklang stehen, muss der bildende Künstler nach Wegen suchen, seinem Werk die Zeitdimension zu erschließen.

Den entsprechenden Bemühungen der künstlerischen Avantgarde, die zeitliche Dimension in die bildende Kunst und Architektur einzubeziehen und darauf eine neue Kunst- bzw. Architekturtheorie zu begründen, stand Einstein selbst weitgehend verständnislos gegenüber - er kommentierte diese Versuche sogar mit sarkastischen Limmericks, denen es an Deutlichkeit nicht mangelt: Sie waren für ihn nur "Klugscheißerei ohne jede vernünftige Basis".

Der Autor ist Professor am Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte Berlin.

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