Elemente früheren Glanzes

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In der Sommerfrische herrschen andere Gesetze fürs Theater. Vor allem in Reichenau an der Rax, der Sommerresidenz Arthur Schnitzlers sowie vieler anderer Intellektueller des Fin-de-Siècle, spielen Landschaft und Raum eine ganz eigene Rolle.

Im Ballsaal des Thalhofs nützt Regisseurin Helga David die schön-melancholische Abgewracktheit mit Elementen früheren Glanzes, um jene Welt einzufangen, in der wohlerzogene, bürgerliche Damen, süße Mädeln und entzückende Kokotten die Männerherzen durcheinanderbrachten, oder umgekehrt. Wie jedes Jahr widmet David ihren Spielplan weniger bekannten Schnitzler-Texten und kombiniert diese geschickt mit von Erfolg gekrönten Szenen, die Wiedererkennungseffekt garantieren.

Heuer bilden drei Einakter aus dem "Anatol“-Zyklus einen interessanten Bogen: Die selten gespielten "Denksteine“ bilden den Auftakt, in dem Schnitzler Eifersucht und Besitzgier des Protagonisten offenbart. Anatol (Christian Kainradl) misstraut seiner Braut Emilie (Katrine Eichberger), bohrt in ihrer Vergangenheit und zerstört die längst außer Kontrolle geratene Liebesbeziehung. Mit dem sezierenden Blick des Psychologen und den Dialogen des Dramatikers Schnitzler erklärt sich Emilie, differenziert das Gefühl des Verliebtseins bzw. die Liebe vom Objekt der Begierde und bringt es in neue Zusammenhänge. Anatol aber, selbst narzisstischer Filou, projiziert seine Unsicherheiten auf Emilie und jagt die Verlobte, diese "Hure“ schimpfend, davon.

Der zweite Teil mit dem Titel "Süßes Mädel“ diente als Vorstudie zur Figur der Christine in "Liebelei“. Hier heißt das Vorstadtmädel Fritzi (Sandra Knoll), ein ehrliches, aufrichtig liebendes Mädchen aus einfachen Verhältnissen, das versucht, ihren Geliebten Anatol zu halten. Herrlich gelingt Knoll das Spiel im Spiel, wenn sie eine Dame der guten Gesellschaft imitiert, die die Vorstadtmädeln abqualifiziert. Ihr verzweifeltes "Verlass mich nicht“ weist auf die (unüberbrückbaren) Standesunterschiede hin. Schon als sie den Heimweg ins kleinbürgerliche Elternhaus antritt, putzt sich Anatol - alle Versprechungen zu bleiben, sind schon vergessen - für den abendlichen Ball auf.

Thalhof als idealer Rahmen

Den Höhepunkt bildet das "Abschiedssouper“, von David als subtile Parodie auf "Denksteine“ interpretiert. Während sich Anatol mühsam auf die Trennung von seiner Geliebten, der Tänzerin Annie (Sophie Aujesky), vorbereitet und seinen Freund Max (Christian Nisslmüller) mit dessen "kalter, gesunder Heiterkeit“ um Unterstützung bittet, dreht Annie den Spieß um. Mit Verve kommt sie ihm zuvor und beichtet, wohl ein letztes Mal Austern schlürfend, ihre Gefühle für den verarmten Künstler Karl.

Dieser kurzweilige, aber auch recht kurze Dreiteiler hätte durchaus noch ein Mittelstück vertragen, das in die elegant-brüchige Welt vergangener Zeiten führt oder zumindest historische Fiktionen davon suggeriert. Für diese Idee von Tradition bildet der Thalhof immerhin den idealen Rahmen.

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