Emmaus. Die Geschichte Gottes

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Warum die Augen der Emmaus-Jünger "zu" gehalten wurden. Osterpredigt im Licht christlicher und islamischer Mystik die furche 8. 4. 2004

Wir alle laborieren mittlerweile, was Gott angeht, am zu trägen Herzen, das der Liebe zu ihm immer mehr enträt. Wie überhaupt soll man sich diese unbeschreibbare Gottesliebe, die wir nicht mehr empfinden können, vorstellen? Wie die Leerstellen kennzeichnen, die wir vielleicht noch in Augenblicken großer Erschütterung wahrnehmen? Wie das Vertrauen in eine göttliche Gegenwart nachvollziehen, die ihre Glaubhaftigkeit aus der Endlichkeit der Welt zog, aus ihrer viel stärker als heute erlebten Vergänglichkeit? War es die unverstelltere Macht des Todes, der sogar Gott sich in der Person von Jesus gebeugt hatte, die die Herzen brennen ließ? Oder war es die größere Nähe eines Gottes, der noch unvermittelt zu den Menschen sprach und ihre Sinne anrührte?

Die Jünger kannten Jesus und liebten ihn als einen, den sie kannten. Dennoch bezichtigt Jesus sie, zu trägen Herzens zu sein. Da sie nicht oder noch zu wenig an seine Transformation glaubten?

Anders jene christlichen und muslimischen Mystiker und Mystikerinnen, die der Gottesliebe verfallen waren, wie zum Beispiel Rabi'a al-'Adawiyya, die im achten Jahrhundert in Basra, im heutigen Irak, lebte. Sie ging mit einer Fackel und einem Eimer voll Wasser durch die Straßen, um Feuer ans Paradies zu legen und Wasser in die Hölle zu gießen, da Paradies und Hölle nur Schleier wären, die von der wahren Gottesliebe ablenkten.

Wenn ich an meine eigene Schulzeit zurückdenke, erinnere ich mich nicht daran, dass ich auch in der Liebe unterrichtet worden wäre. Ich erinnere mich vor allem an Furcht. An die Furcht, für meine kleineren oder größeren Übertretungen der Religionsgebote bestraft zu werden, im Fegefeuer dafür büßen zu müssen oder gar auf ewig verdammt zu sein.

Vielleicht habe ich deshalb immer Schwierigkeiten mit dem Ausdruck lieber Gott gehabt, weil mir der Gott der Katholiken nicht so recht als liebender nahegebracht wurde. Und das, obgleich er sein Leben für die Erlösung der Menschen hingegeben hatte. [...]

Manchmal wünschte ich mir, dass es ein geheimes Wort für all das, was Liebe sein kann, gäbe, eines, das man nur nach langer, erschöpfender Initiation, vielleicht aber auch nie, in Erfahrung bringen könnte.

So wie die Mystiker dieses Wort verstanden, ist die Liebe ein Gefühlszustand von höchster Energie, in dem - und in dem allein - sich Gott noch ereignet.

Doch gibt es keine Mystiker mehr. Nicht in unserer Zivilisation und nicht in unseren Habitaten. Und wenn es sie gibt, sind sie sparsam geworden mit sich und mit Gott. So als könnten selbst sie die Kraft der Liebe nicht mehr entsprechend bündeln, um dem Göttlichen Ausdruck zu gewähren. Wie wir alle, sind sie viel zu sehr abgelenkt, um noch alles auf diese eine Karte zu setzen, nämlich Gott in sich aufleuchten zu lassen.

Eine Großmeisterin der Gottesliebe, Teresa von Ávila, meinte einmal in aller Gottesseligkeit, dass es nicht darauf ankäme, viel zu denken, sondern viel zu lieben. Darum tut das, was am meisten Liebe in euch erweckt. Vielleicht wissen wir aber gar nicht, was Liebe ist.

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