"Emotion, Wahlkampf und Inszenierung“

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Alexander Janda, Geschäftsführer des Integrationsfonds, stellt der Integrations-Realität in Österreich eine ernste Diagnose.

Alexander Janda ist Geschäftsführer des Österreichischen Integrationsfonds und legt dieser Tage einen pointierten Essay vor. Mit der FURCHE sprach er schon vorab über die Praxis von Integrationsarbeit.

Die Furche: Sie benennen eine Reihe von integrationspolitischen Baustellen. Welche ist die größte?

Alexander Janda: Man kann Baustellen auch als Orte sehen, wo etwas aufgebaut wird. Gott sei Dank gibt es in Österreich in den letzten Jahren eine Fülle von Integrationsbaustellen, wo etwas geschaffen wird. Am akutesten scheint mir, die verschiedenen Gebäude, die errichtet werden, so abzustimmen, dass das ganze auch als Siedlung einen Mehrwert ergibt. Jetzt geht es um klare und strukturierte Prinzipien.

Die Furche: Bei Steuerpolitik legt man einen Steuersatz fest, den jeder zahlen muss. Bei Integration ist das nicht so einfach. Wie viel Einfluss hat die Politik?

Janda: In der Steuerpolitik kann ich zwar Steuerquoten beschließen, aber gleichzeitig wird in einer Gesellschaft eine grundlegende Debatte über Einkommensdisparitäten, Leistungsgerechtigkeit und Solidarität geführt. Der Diskussion kann man sich nicht so leicht entziehen. Genauso ist es bei Integration. Man kann auch hier mit vielen konkreten Maßnahmen dazu beitragen, dass, analog zur Verteilungsgerechtigkeit, eine "Zusammenlebensgerechtigkeit“ erreicht werden kann. Spracherwerb ist ein Punkt, der gesetzlich geregelt werden kann. Die Politik muss es auch schaffen, Qualifikationen zu übersetzen und Respekt für Religion, Kultur und Muttersprache sicherzustellen. Genauso muss sie rechtsstaatiche Grenzen definieren und umsetzten. Das sind alles Punkte, die abgearbeitet werden müssen.

Die Furche: Sie kritisieren, dass die Aufnahmegesellschaft im österreichischen Integrationsdiskurs außen vor gelassen wurde.

Janda: Es geht darum, dass die Aufnahmegesellschaft überhaupt als Adressat angesprochen wird. Jahrelang hat niemand einen strukturierten Dialog geführt, um zu erklären, was die fachlichen Notwendigkeiten, Hintergründe und Argumentationsketten für Entscheidungen sind. Dabei ist die Aufnahmegesellschaft die wichtigste Zielgruppe. Wenn es uns nicht gelingt, sie mit ins Boot zu holen, werden wir gefangen bleiben im Dilemma von emotionaler Auseinandersetzung, Wahlkampf und medialer Iszenierungen. Es bleibt die Wahrnehmung dass sich die Gesellschaft ändert und mir niemand erklärt hat, warum. Unserer Gesellschaft fällt es nicht immer leicht mit Migration umzugehen, auch zu rationalisieren, wie man sie nutzen kann. Allein die Tatsache, dass in Österreich 200.000 Menschen leben, die Türkisch sprechen, ist stark unterbelichtet. Es gibt kaum Untersuchungen dazu, wie Österreich davon profitieren kann. Und das vor dem Hintergrund, dass die Türkei eine aufstrebende Wirtschaftsmacht ist.

Die Furche: Wie schafft man ein Wir-Gefühl?

Janda: Dafür braucht es beidseitigen Respekt. Und eine Antwort auf die Frage: Wie exklusiv oder inklusiv definieren wir das Wir. Muss das ein Entweder-Oder sein? Oder schaffen wir es, eine Klammer von zentralen Werten zu bauen, innnerhalb der es ein Sowohl-Als-Auch geben kann?

Die Furche: Der Integrationsfonds hat gerade die ersten Bergführer mit Migrationshintergrund ausgebildet. Ist Integration dann abgeschlossen, wenn man auf Berge geht?

Janda: Integration ist dann erfolgreich, wenn ich mich als österreichischer Bergwanderer nicht mehr wundere, wenn mir ein Wanderführer mir ausländischen Wurzeln begegnet. Aber Integration ist ein langer Prozess, der für die Gesellschaft in absehbarer Zeit nicht abgeschlossen sein wird.

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