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Schiele, Kubin und Kokoschka im Leopold-Museum.

Direkt aus der Versuchsstation für den Weltuntergang, wie man das Wien vor 1914 nannte, kommen diese Arbeiten von Egon Schiele zu uns. Und es scheint, dass sich die Laborsituation seit damals gar nicht so arg verändert hat. Schieles Arbeiten sind Zeugnisse eines großen Übergangs, markanter Wandlungen und auch eines beängstigenden Verfalls. In einer Mischung aus Endzeitlichkeit und Katastrophenspürsinn tauchen die Menschen bei Schiele als Zwischenwesen von Eremit, Märtyrer oder Fakir auf; sie verneinen das Leben, nein, sie sind zum Leben verdammt, sie lieben es augenscheinlich bis zum Exzess. Motivisch reich gefächert, seine Figuren aus dem Individuellen und Detailhaften auf die Ebene der weltgeschichtlichen Befindlichkeit der Menschheit gehoben - gerade weil es Einzelschicksale sogenannter Durchschnittsmenschen sind, die es ja in Wirklichkeit gar nicht gibt.

In der Aktdarstellung und im Bildnis hat der Zeichner Schiele Leistungen erbracht, die im gesamten Expressionismus nicht leicht zu finden sind. Was ihm wesentlich scheint, wird herausfiltriert und gleichzeitig angeprangert; er porträtiert seine Malerfreunde, seine Mäzene und vor allem sich selbst - posierend, gestikulierend, mit gespreizten Fingern. Kunst macht sichtbar, was andere nicht sehen, in Schieles Zeichnungen wird es zum Ereignis. Die Übertreibungen und Verzerrungen sind nicht als bloßer Effekt oder als Manie eingesetzt, sondern inwendig begründet. In seinen Darstellungen von Erlebnissen, in seiner Verbildlichung starker Emotionen gestaltet er Zeichen von besonderer Schönheit und gleichzeitig von besonderer Entsetzlichkeit, ein ekstatisches Aus-sich-Hervortreten ereignet sich wunderschön schrecklich und ist schrecklich schön. Der Einsatz all der von Schiele verwendeten Mittel beschert ihm, gemeinsam mit Kokoschka, als Frühexpressionisten eine Avantgardestellung weit über die österreichische Kunstszene hinaus. Was man auch heute noch, oder heute um so mehr, wieder sehen kann.

Egon Schiele, Alfred Kubin und Oskar Kokoschka - Neue Auswahl an Zeichnungen und Aquarellen

Leopold Museum. Bis 31. 3.

Mi-Mo 10-19, Fr bis 21 Uhr

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