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Die Millionenshow, Österreichs kapitaler Straßenfeger, zur besten Sendezeit - pardon: in der ORF-Primetime - ausgestrahlt, erfordert mitunter außer purem Wissen auch sprachliche Erfahrung und ein reifes Lebensalter. Immerhin war dem Veranstalter unlängst eine scheinbar simple Aufgabe satte 150.000 Euro wert. Auf die Frage, wie man das "Ave Maria" nenne, wurden vier Varianten zur Auswahl gestellt: der italienische, der spanische, der französische oder der englische Gruß. Der Geprüfte entschied sich nach kurzem Nachdenken für Italien. Vielleicht wegen der Nähe dieser Sprache zum Latein. Oder auch, weil antike Grüße wie salve im sonnigen Süden wieder modern geworden sind.

Die Antwort war freilich falsch, denn hinter der harmlosen Formulierung lauerte eine tückische Falle. Natürlich ging es da um Gruß und Botschaft des Engels an Maria, die Mutter Gottes.

Englisch hat, besser gesagt hatte, eine doppelte Bedeutung. Als Ableitung von England bezeichnet es nationale Merkmale. Als Eigenschaftswort zu Engel steht es für überirdische Qualitäten. Im älteren Sprachgebrauch überwiegt die letztere Lesart: Kant spricht von "englischen oder teuflischen Wundern". Goethe ruft aus: "Englisches unwiderstehliches Wesen". Und die englischen Fräulein sind keine urlaubenden Teenies oder Twens, sondern ehrwürdige Nonnen. Auf das Problem der Mehrdeutigkeit verweisen schon die Brüder Grimm in ihrem Wörterbuch (1862): "Doch hat diese Bildung den Übelstand, daß die Bedeutungen angelicus und anglicus sich mischen."

Ältere Jahrgänge hätten sich bei der Quizfrage vielleicht an den vorösterlichen Spruch der Ratscherbuben erinnert ("Wir ratschen den himmlischen Gruß") und wohl richtig geantwortet. Der jungen Generation aber fällt zum englischen Gruß nur noch "How do you do?" ein.

Der Autor ist Professor für Sprachwissenschaft in Salzburg.

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