Englisch statt Dänisch

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Dänisch ist die Muttersprache von fast fünf Millionen Menschen und zählt trotzdem zu den bedrohten Sprachen Europas. Linguisten schätzen, dass es gerade noch 20 Jahre als Schrift-und Hochsprache tauglich bleibe, alle Bereiche des öffentlichen und privaten Lebens zu erfassen. Dann wird es von der Kanzel in die Küche, aus den Büchern in die Dorfwirtshäuser übersiedelt und von der Bildungssprache zum heimeligen Dialekt verkommen sein.

Schuld daran haben nicht die muselmanischen Zuwanderer, die ansonsten gerne aufgeboten werden, um vor den Gefahren zu warnen, die dänischer Identität und Sitte drohen.

Nein, dass ihnen ihre eigene Sprache abhanden kommt, haben die Dänen selber verursacht oder besser gesagt: regelrecht angestrebt. Wer in Dänemark auf sich hält und kein engstirniger Provinztölpel sein möchte, der den eigenen Kindern die Karriere verbaut, spricht mit diesen aber nicht die Sprache, in der er einst selber denken, fühlen und die Welt entdecken lernte, sondern eine Sprache, die zu beherrschen ihm größeren Erfolg verheißt, weil sie größere Verbreitung hat: Englisch. Damit die lieben Kleinen sich dereinst in der großen weiten Welt zurechtfinden mögen, wird ihnen ausgerechnet die sprachliche Orientierungslosigkeit verordnet. Der zugleich weltoffene und rabiate Kapitalismus hat in Dänemark die vorkapitalistische Ideologie von Volk und Heimat triumphal aus dem Feld geschlagen.

Der linksliberalen Partei war es vorbehalten, kürzlich zu verlangen, dass Englisch in den Rang einer zweiten Landessprache erhoben werde, auf dass die kleinen Dänen sprachlich auch wirklich zu tüchtigen Geschäftseuropäern heranreifen. Das war so verzweifelt fortschrittlich gedacht, dass es schon wieder richtig reaktionär war. Der Kaiser ist nackt, heißt es dazu in Andersens Märchen, das nicht nur auf Dänisch immer wieder erzählt zu werden verdient.

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