"Ein Brief für die Welt" an die Enkelin - von Hubert Gaisbauer

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Kann eine päpstliche Enzyklika kindgerecht aufbereitet werden? Sie kann. Jedenfalls Franziskus' Schöpfungs-Schreiben "Laudato si", das Hubert Gaisbauer für junge Leserinnen und Leser aufbereitet. Auch für die Älteren ist "Ein Brief für die Welt" mehr als lesbar.

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Kann eine päpstliche Enzyklika kindgerecht aufbereitet werden? Sie kann. Jedenfalls Franziskus' Schöpfungs-Schreiben "Laudato si", das Hubert Gaisbauer für junge Leserinnen und Leser aufbereitet. Auch für die Älteren ist "Ein Brief für die Welt" mehr als lesbar.

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"Liebe Caro, erinnerst du dich, wie du mich gefragt hast, warum der Papst eigentlich keinen Brief an die Kinder schreibt?" Mit diesem Satz beginnt Hubert Gaisbauer, Großvater, seinen ersten Brief an Caro, Enkelin. 22 weitere Briefe des Altvorderen an die Nachkommin folgen, und all das hat Hubert Gaisbauer zu dem wirklich lesbaren Kinderbuch "Ein Brief für die Welt", das auch die Großen getrost zur Hand nehmen können, zusammengestellt. "Die Enzyklika Laudato si von Papst Franziskus für Kinder erklärt" heißt das neue Werk des früheren Radiojournalisten im Untertitel.

Ein auf den ersten Blick seltsames Unterfangen. Denn warum sollen sich Kinder mit einem päpstlichen Dokument auseinandersetzen, wo doch schon die Erwachsenen nicht auf die Idee kommen, das zu tun? Hand aufs Herz: Wer von den Großen hat einen Blick in die Umwelt-Enzyklika getan? Und wer erinnert sich überhaupt noch daran, dass eine derartige Schrift im Juni erschienen ist?

Ein gelungenes (Kinder-)Buch

Man darf getrost unterstellen, dass der journalistische und publizistische Profi Gaisbauer sich diese Fragen längst gestellt hat. Es zeugt von einer mutigen schreiberischen wie verlegerischen Perspektive, aus dem päpstlichen Lehrtext ein Kinderbuch zu machen. Und man darf hinzufügen: ein gelungenes noch dazu.

Caro, die junge Inspiratorin für Gaisbauer, bringt den großväterlichen Autor zum einen dazu, die eher trockene Materie eines Papstschreibens kindgerecht zu formulieren. Andere Themen, die auf den Informationsseiten des Buches dargestellt werden, sind sicher leichter von der Hand gegangen: Wer Franz von Assisi war, und wer Papst Franziskus ist, wird da ebenso erklärt wie der Begriff der Schöpfung. Eine eigene Doppelseite ist dem Sonnengesang des Franz von Assisi gewidmet, dessen Anfangsworte -Laudato si - ja der Schöpfungsenzyklika des Papstes den Namen gegeben haben.

Den Großteil des Buches bilden aber eben die Briefe von Gaisbauer an Caro, in denen er die Themen und Anliegen von "Laudato si" erläutert. Der subtil Sprachmächtige und geheime Poet Gaisbauer hat in Papst Franziskus einen sozusagen "kongenialen" Stichwortgeber gefunden: Denn Franziskus drückt sich bekanntlich gerne in Bildern aus. Und junge Leute sind mit derartiger Sprache mit Sicherheit viel eher in den Bann zu ziehen als mit theologischen Begrifflichkeiten.

Caros Anfangsfrage, warum der Papst keine Briefe an die Kinder schreibe, ist in Kenntnis all dessen, wie sich Papst Franziskus gibt und äußert, keineswegs absurd: Denn Franziskus wäre eigentlich prädestiniert dafür - wer weiß, ob Caros Wunsch nicht bald in Erfüllung geht ...

Aber die kindgerechte Brille, mit der Hubert Gaisbauer auf "Laudato si" schaut, macht vieles verständlich. So nimmt der Autor das Bild vom gemeinsamen Haus, mit dem Franziskus die Erde charakterisiert, und setzt dieses in Beziehung mit der Rede von "Mutter Erde", wie sie im Sonnengesang angesprochen wird.

Kosmos franziskanischer Begriffe

Den ganzen Kosmos franziskanischer Begrifflichkeit entfaltet Gaisbauer in seinen Briefen. Caro - und mit ihr die Leserinnen und Leser des Buches - erfahren von den Franziskus-Gärten und über die Ehrfurcht des Franz vor Geschriebenem. Auch was Caros Fahrrad mit einer Palmlilie zu tun hat und dass Franziskus jene sehr geliebt hat, ist da nachzulesen.

Interessant, dass Gaisbauer sich aber keineswegs zum Sprachrohr von Papst Franziskus macht (jedenfalls nicht ausschließlich), sondern auch kritisch anmerkt, dass in "Laudato si" herzlich wenig über das Leid der Tiere in den Konsumgesellschaften der Gegewenart zu lesen ist: "Aber wo, lieber Bruder Papst, bleibt dein Protest gegen die Qualen, die Millionen von Tieren tagtäglich erleiden müssen, massenhaft in riesige Hallen gepfercht?" Gaisbauer schlägt dem Papst - und Caro - vor, auch ein Jahr der Barmherzigkeit für Tiere auszurufen.

Einig ist sich Gaisbauer mit dem Papst aber in der Analyse über die weltweite Umweltverschmutzung und mit Franziskus' Kritik an den Smartphones. Er erzählt Geschichten von den kargen Mahlzeiten vieler Menschen im Süden und vom fehlenden Wasser, nach dem viele Menschen verlangen, sowie von zuviel Wasser, sodass aufgrund des Klimawandels Insel(staate)n im Meer versinken

Und der Autor von "Ein Brief für die Welt" hat nachgezählt: Über 70 Mal verwendet Franziskus das Wort "Beziehung" in seiner Enzyklika: Der Papst mache die Menschen auf drei lebenswichtige Beziehungen aufmerksam - zu Gott, zu den Menschen, zur Erde. Viele dieser Beziehungen seien in Brüche gegangen. Von Franz von Assisi werde jedoch erzählt, dass er "mit allen Geschöpfen in Frieden war". Damit habe er gezeigt, "wie der Bruch in der Beziehung zwischen Gott, den Menschen und der Erde" geheilt werden könne.

In einem der eindrücklichsten Briefe an Caro weist Gaisbauer darauf hin, dass zum allerersten Mal in einer päpstlichen Enzyklika hier ein muslimischer Gelehrter zitiert wird. Der Papst nennt den islamischen Mystiker Sheik Ali Al-Khawwas, der auch in der Natur die Spuren Gottes erkannt hat. So schließt sich der Kreis, der von Franz von Assisi ausgeht, auch mit einer islamischen Stimme. Im Übrigen spart Gaisbauer auch die Teilnahme Franz' am Fünften Kreuzzug 'und eine Bewertung davon nicht aus.

Eine enorme Weite

Die hier versuchte kursorische Aufzählung einiger Themen des "Kinderbuchs" von Hubert Gaisbauer zeigt, dass die Weite der von "Laudato si" angestoßene Betrachtungen enorm ist. Und dass es sich bei diesem kleinen Buch mitnichten um ein klassisches Kinderbuch handelt, denn ein Gutteil der vor allem eben in Briefform verpackten Informationen und Reflexionen wird auch dem landläufigen erwachsenen Leser nicht geläufig sein. Hubert Gaisbauer ist hier auch in dieser Hinsicht Erstaunliches gelungen.

Ein Büchlein über Gott, Schöpfung und Natur ohne Bilder wäre auch eine Themenverfehlung. Die zahlreichen Farbtafeln mit Bildern von Leonora Leitl haben gehörigen Anteil daran, dass die Intention des Buches aufgeht. Am 1. September wird heuer zum zweiten Mal auch in der katholischen Kirche der Weltgebetstag für die Bewahrung der Schöpfung begangen. Das Buch "Ein Brief für die Welt" ist eine ideale Lektüre dazu.

Dieser Artikel erschien unter dem Titel "Enkelin inspiriert großväterlichen Autor" in der Print-Ausgabe der FURCHE.

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