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Die Goldene Palme heimste er zwar nicht ein - der Österreicher Michael Haneke wurde mit "Caché" jedoch bester Regisseur. von matthias greuling/cannes

Ein bisschen stand Michael Haneke die Enttäuschung schon ins Gesicht geschrieben. Zwar nahm der österreichische Regisseur beim Festival in Cannes für seinen Wettbewerbsbeitrag "Caché" den Preis für die beste Regieleistung entgegen, doch eigentlich standen für "Caché" alle Zeichen auf Sieg - auf die Prämierung mit der Goldenen Palme. Hanekes Film mit Juliette Binoche und Daniel Auteuil war nämlich der beste des gesamten Festivals, und diese Meinung teilten viele. "Caché" war bis zum Tag der Preisverleihung größter Favorit.

Keine Erklärungen

"Caché" hat etwas von einem Thriller, ist aber dennoch kein Genrekino. Haneke erzählt von Georges (Daniel Auteuil), dem Moderator einer Literatursendung im Fernsehen, und seiner Frau Anne (Juliette Binoche). Georges erhält merkwürdige Videokassetten zugeschickt, auf denen er von einem Unbekannten mit einer versteckten Kamera gefilmt wurde. Da er nicht weiß, wer dahinter steckt, empfindet er die Videos als Bedrohung für sich und seine Familie. Die Situation spitzt sich zu, als Georges einen Verdacht hegt: Ein ehemaliges albanisches Einwandererkind, das bei Georges und seinen Eltern aufwuchs, könnte sich - nach all den Jahren - für Georges' damaliges, nicht gerade vornehmes Benehmen rächen.

"Der Film handelt von Schuld, und davon, wie man mit ihr umgeht", sagt Haneke, der mit "Caché" seinem Credo treu bleibt, keinerlei Erklärungen zu liefern. "Alle meine Filme sind so konstruiert, dass sie Fragen aufwerfen. Im Mainstream-Kino ist das leider genau anders herum: Dort werden Erklärungen gegeben, bevor überhaupt Fragen aufkommen."

Palme für "L'Enfant"

Die Goldene Palme ging an die belgischen Regiebrüder Jean-Pierre und Luc Dardenne für ihr simpel, aber eindringlich inszeniertes Drama "L'enfant". Ein junge Frau aus einer sozial benachteiligten Schicht bekommt ein Kind, und ihr Freund versucht postwendend, daraus Kapital zu schlagen. Gleich nach der Entbindung verkauft er sein Neugeborenes an einen "Interessenten". Die Brutalität dieses Protagonisten - und seine anschließende Reue - sind nicht nur eine harsche Sozialkritik am westlichen (gewinnorientierten) Gesellschaftssystem, sondern verbinden sich auch mit der Einsicht, dass Geld im Leben bei weitem nicht alles ist. Ein verdienter Preis für die Dardenne-Brüder, die die Palme schon 1999 für ihren Film "Rosetta" erhielten.

Große Überraschung

Jim Jarmuschs neuer Film "Broken Flowers" erhielt den Großen Preis des Festivals, die wichtigste Auszeichnung nach der Goldenen Palme. Jarmusch erzählt die Geschichte von Don (Bill Murray), einem Single, der gerade von seiner Freundin (Julie Delpy) verlassen wurde und aus einem Brief einer anonym bleibenden Ex-Geliebten erfährt, dass er einen 19-jährigen Sohn hat, von dem er bisher nichts wusste. "Broken Flowers" ist Jarmuschs bisher zugänglichster Film, auch wenn der Regisseur das nicht gerne hört: "Das letzte, was von mir im Kino zu sehen sein wird, ist ein kommerzieller Film", so Jarmusch.

Die größten und angenehmsten Überraschungen des diesjährigen Festivals waren die Auszeichnungen für das Regiedebüt von Hollywood-Schauspieler Tommy Lee Jones. "The Three Burials of Melquiades Estrada" ist eine haarscharf gezeichnete Amerikakritik, für die Drehbuchautor Guillermo Arriaga ("Amores Perros") und Jones (allerdings nicht als bester Regisseur, sondern als bester Schauspieler) geehrt wurden. Jones mimt darin einen texanischen Cowboy, der an der mexikanisch-amerikanischen Grenze lebt und versucht, den Tod seines mexikanischen Freundes aufzuklären. Ganz beiläufig - allerdings keineswegs unbemerkt - inszeniert Tommy Lee Jones Amerika als rassistisches Land, in dem seine viel gepriesenen Ideale von Demokratie bis hin zum amerikanischen Traum real nicht existieren. Selten hat jemand die amerikanische Gesellschaft abseits der urbanen Intellektualitätszentren im Film treffender beschrieben. Tommy Lee Jones schenkte dem Filmfestival damit ein kleines Meisterwerk.

Infos: www.festival-cannes.fr

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