Entweltlicht - für viele

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Pfingsten ist das Fest des Heiligen Geistes und somit der Kirche. Wohin jener diese führen soll, ist in diesen Tagen und Wochen wieder einmal Gegenstand heftiger Kontroversen. "Der Geist weht, wo er will“ gilt indes für alle Beteiligten.

In diesen Tagen um Pfingsten ist es wieder oft zu hören: "Der Geist weht, wo er will“ (Joh 3,8; eigentlich heißt es dort "der Wind“). Aber was sagt uns das? Hilft es uns in den kircheninternen Auseinandersetzungen um Reformen weiter? Nicht wirklich. "… du hörst sein (des Windes; Anm.) Brausen, weißt aber nicht, woher er kommt und wohin er geht“, heißt es weiter. Das vermittelt eher jene diffuse Stimmung, jenes Amalgam aus Verunsicherung und Verwirrung, die auch die Beschreibung des Pfingstereignisses in der Apostelgeschichte (Apg 2) kennzeichnen. Klar ist nur, dass nichts in und an der Kirche für alle Zeiten festgefügt, in Stein gemeißelt ist, weder buchstäblich noch im übertragenen Sinn. Darauf aber könnten sich im Grundsatz alle an der Kirchendebatte Beteiligten - von den Reforminitiativen bis zur römischen Kirchenleitung - einigen.

Säkularisierung als Chance

Gerade der Papst hat ja in seiner vieldiskutierten Freiburger Konzerthaus-Rede im vergangenen Herbst keinen Zweifel daran gelassen, dass die Art und Weise, wie sich die Kirche zur Welt verhält, immer neu zu hinterfragen ist. Mehr noch: Er hat von der Säkularisierung ausdrücklich als Hilfe zur "Läuterung und inneren Reform“ gesprochen - und nicht etwa den Verlust an Bedeutung, Ansehen, Privilegien und materiellem Besitz beklagt. Gewiss, zumindest in vielen europäischen Ländern sitzt die katholische Kirche noch immer auf einem recht hohen Ross, von dem herab man solche Worte leicht sagen mag. Aber es besteht kaum ein Zweifel, dass auch im alten Kontinent die fetten Jahre vorbei und die mageren, die wir freilich erst erahnen, rasant im Anzug sind.

"Entweltlichung“ war das Wort, das Benedikt XVI. in dem Zusammenhang geprägt hat, in Anlehnung an die Formel "nicht von der Welt“ (wohl aber "in der Welt“) aus dem Johannesevangelium (Joh 17 und 18). Das wurde von vielen als weiteres Indiz für die Entweltlichung im schlechten Sinn dieses Pontifikats interpretiert: als Aufruf zum Rückzug aus der Welt, zur antimodernen Defensive, zur spirituellen Selbstvergewisserung als kleine Herde oder eine Art "heiliger Rest“.

Davon ist freilich im Text keine Rede - im Gegenteil, Benedikt streicht ganz klar die bleibende Sendung der Kirche im unaufgebbaren Spannungsfeld von Gottes- und Nächstenliebe heraus. Die Frage ist nur, ob, wie der Papst hofft, die Entweltlichung tatsächlich diese Sendung künftig schärfer konturiert sichtbar werden lässt, ob sie wirklich dazu beiträgt, "nach der totalen Redlichkeit zu suchen, die nichts von der Wahrheit unseres Heute ausklammert oder verdrängt, sondern ganz im Heute den Glauben vollzieht“. Es ist eine Hoffnung, nicht mehr. Oder: nicht weniger. Denn was wäre die Alternative?

Wir hätten keine Glaubens- oder Kirchenkrise, sondern eine Kirchenleitungskrise, meinte Helmut Schüller am Rande des Deutschen Katholikentags in Mannheim. Der erste Teil des Satzes (der in der Berichterstattung gelegentlich unter den Tisch fiel) ist, gelinde gesagt, eine kühne Behauptung: Die Glaubens- und Kirchenkrise existiert nun beileibe nicht nur in den Köpfen "mancher Kardinäle“, wie Schüller suggerierte. Sie ist nicht monokausal zu erklären, hat viele Wurzeln - rührt aber jedenfalls an den Lebensnerv der Kirche und stellt solcherart deren zentrale Herausforderung im Hier und Heute dar.

Glaubwürdigkeit

Unbestritten ist, dass es auch eine Krise im Verhältnis zwischen Kirchenleitung und der Kirche als ganzer gibt - und dass diese die Bewältigung der Glaubenskrise zusätzlich erschwert. Hier gäbe es bei drängenden Fragen, die auch die Glaubwürdigkeit der Kirche selbst betreffen (Wiederverheiratete, Pflichtzölibat), Ansätze einer Weiterentwicklung, die durchaus in Kontinuität zur katholischen Lehre stünden (Bußritual mit dem Ziel einer Wiederzulassung zu den Sakramenten, "Viri probati“). Hier gibt es keine einfachen Lösungen. Aber an diesen Fragen weiterzuarbeiten, gehörte auch zur "Wahrheit unseres Heute“; zu einer entweltlichten Kirche, deren Botschaft allen gilt, auch wenn sie immer nur viele erreicht.

* rudolf.mitloehner@furche.at

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