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Grzegorz Jarzyna stellt die antike "Medea"-Tragödie im Kasino des Burgtheaters in heutige Zusammenhänge - überzeugend und beklemmend.

Eine überzeugende Medea-Inszenierung kann nichts anderes sein als Schmerzenstheater. Dem polnischen Regisseur Grzegorz Jarzyna ist eine solche mit viel Symbolik gelungen. Er hat Euripides' Tragödie massiv entschlackt und auf der Bühne des Kasinos eine heutige Version realisiert. Seine Protagonisten sind georgische Einwanderer: Medea ist Aristokratin, Jason Manager, der in mafiöse Ölgeschäfte mit Russland verwickelt ist. Karrieregeil und assimilationswütig zwingt er seine Söhne, nur noch deutsch zu sprechen und hat kaum noch Zeit für seine Frau, die in ihrem gläsernen Loft vereinsamt. Ein eleganter, riesiger Wohnraum (Bühne: Magda Maciejewska) ist Medeas goldener Käfig. Die Vorbesitzer sind ein skurriles Paar, die Tenors (Barbara Petritsch, Michael Gempart), die sich als schicksalslenkend erweisen und an die Stelle der Götter getreten sind. Sie manipulieren die Geschicke, ebenso die junge Haushaltshilfe Justine (Mareike Sedl), die als Spionin eingeschleust wird und mit ihrer erotischen Kraft Jason für sich gewinnt. Der Rest ist Verzweiflung, Wahnsinn und Medeas Suche nach Halt bei dem zwielichtigen Eugen (Wolfgang Michael).

Jacek Grudziens Musik hüllt die Inszenierung in einen traumhaften Mantel, der soghaft in die verzweifelte Psyche der Titelfigur führt. Medea vergiftet ihre Nebenbuhlerin mit der Ansteckungskraft ihrer Depression, das mörderische Kleid wird da eigentlich überflüssig. Die Darstellung dieser Gefühlsbandbreite ist ein schauspielerischer Hochleistungsakt, den Sylvie Rohrer exzellent bewältigt. In Jarzynas Studie dieser Beziehung, die noch nach 2500 Jahren (wenn auch unter anderen Prämissen) nach den Prinzipien Macht, Erotik, Eifersucht und Rache funktioniert, verkörpert Roland Koch den smarten Jason, für den eine angepaßte Familie zu den Attributen des erfolgreichen Geschäftsmannes zählen. Aus dieser Wirtschaftsgier bleiben aber nur Angst und Leere übrig - beide Begriffe projiiziert Jarzyna an die Wand des Kasinos. Soviel Empathie hätte die Inszenierung gar nicht gebraucht, die Kraft der Bilder und die Intensität des Ensemblespiels sorgen für nachhaltige Beklemmung.

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