„Erfüllen und Erhellen“

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90 Jahre Salzburger Festspiele, 50 Jahre Großes Festspielhaus: Gleich zwei Jubiläen stehen im Sommer 2010 an der Salzach im Blickpunkt.

Krise hat verschiedene Facetten. Kultur, heißt es immer wieder, hilft am besten, um sich nicht nur abzulenken, sondern auch Wege zu neuen Anfängen zu finden. Krisenhafte Entwicklungen standen auch am Beginn der Salzburger Festspiele. Der Reichsdeputationshauptschluss 1803 machte das geistliche Fürstentum Salzburg zu einem weltlichen Kurfürstentum. 1805 schlug der Friede von Preßburg Salzburg Österreich zu. Vier Jahre danach ist Salzburg unter französischer, ein Jahr darauf, 1810, unter bayerischer Verwaltung. 1816 kam Salzburg endgültig zu Österreich.

Auch kulturell hatten die politischen Veränderungen Spuren hinterlassen. Salzburg musste versuchen, den Ruf des einstigen kulturellen Zentrums wiederzugewinnen. Erste Akzente wurden 1842 mit der Enthüllung des Mozart-Denkmals von Ludwig Schwanthaler und einem ersten Mozart-Fest gesetzt. 1841 war der „Dommusikverein und Mozarteum“ gegründet worden. Aus ihm entwickelte sich die „Internationale Stiftung Mozarteum“.

1877 ging das erste von acht Salzburger Musikfesten über die Bühne. Jeweils im Juli oder August gastierten die führenden musikalischen Interpreten ihrer Zeit. Bereits 1887 konnte sich Hans Richter jährliche Mozart-Festspiele und ein Festspielhaus nach Bayreuther Vorbild vorstellen. 1890 legten die führenden Theaterarchitekten der Donaumonarchie, Helmer & Fellner, Pläne für ein „Mozartfestpielhaus“ auf dem Mönchsberg vor. 430.000 Gulden hätte das ehrgeizige Projekt verschlungen, die aber waren nicht aufzutreiben. Der Schriftsteller Hermann Bahr erklärte Salzburg zur Hauptstadt Europas und wollte ab 1904 Sommerfestspiele veranstalten. Das blieb unrealisiert wie die Einbindung Salzburgs in sein geplantes Fünf-Städte-Theater Berlin-Hamburg-München-Salzburg-Wien.

Die Festspielidee war aus Salzburg aber nicht mehr wegzudenken. 1917 wurde die Festspielgemeinde gegründet. Max Reinhardt, damals Theaterdirektor in Berlin, verfasste eine „Denkschrift zur Errichtung eines Festspielhauses in Hellbrunn“ und erwarb das Schloss Leopoldskron, das in den ersten zwei Dezennien der Festspiele zu einem gesellschaftlichen Zentrum werden sollte. Ein Kunstrat wurde konstituiert, unter anderem mit Reinhardt, Franz Schalk und Richard Strauss. Später kamen der Bühnenbildner Alfred Roller und Hugo von Hofmannsthal dazu. Dieser schuf mit seinen Programmatiken die inhaltliche Grundlage der Festspiele.

„Die Idee der Salzburger Festspiele“ nannte Hofmannsthal seinen Vortrag anlässlich der zweiten ordentlichen Generalversammlung der Salzburger Festspiel-Gemeinde 1919. Seine Überlegungen fasste er in einem Prospekt zusammen. „Musikalisch-dramatische Aufführungen, welche zu Salzburg in einem eigens dafür gebauten Festspielhaus stattfinden sollen“, umreißt er die Bedeutung der kommenden Festspiele. Stattfinden sollen sie „alljährlich im Sommer, dann und wann aber auch zu anderen Zeiten, etwa um Weihnachten, oder sonst im Winter, auch zu Ostern und Pfingsten“. Er hat damit die weitere Entwicklung der Festspiele wenn schon nicht vorhergesehen, zumindest vorausgeahnt. „Oper und Schauspiel zugleich“ müssten im Mittelpunkt stehen, „denn die beiden sind im höchsten Begriff nicht voneinander zu trennen. Die Trennung ist gedankenlos oder nach der bloßen Routine.“

„Tristan“ unter Bruno Walter

Sechs Aufführungen von „Jedermann“, seit dem das Markenzeichen der Festspiele, bildeten im August 1920 den Startschuss für die Salzburger Festspiele. 1921 wurde dieser Hofmannsthal durch Aufführungen von Mozarts „Bastien und Bastienne“ sowie mehrere Konzerte, die hauptsächlich der spätere Festspielpräsident Bernhard Paumgartner dirigierte, ergänzt. 1921 kamen erstmals die Staatsoper und die Wiener Philharmoniker. Die Festspiele hatten ihre Basis gefunden.

Abgesehen von 1944, als es kriegsbedingt nur zu einer öffentlichen Generalprobe der neuen Strauss-Oper „Die Liebe der Danae“ und einem „Philharmonischen“ unter Furtwängler mit Bruckners Achter kam, bilden die Salzburger Festspiele bis heute den Mittelpunkt des mittlerweile weltweiten Festspielgeschehens. Längst sind sie auch zu einem wesentlichen wirtschaftlichen Faktor geworden.

Programmatisch muss man dem pluralistischen Zeitgeist Tribut zollen. Globalisierung hat ihren Preis. Aber die von unverbesserlichen Traditionalisten gerne gestreute Legende, früher habe man so gut wie ausschließlich Mozart gespielt, ist ohnedies spätestens seit 1933 erschüttert: Damals dirigierte Bruno Walter Wagners „Tristan“ …

Heute heißen die Markenzeichen der Festspiele hochkarätige Internationalität und gezielte Öffnung in die Moderne. Prominent besetzte Opern, Experimenten bewusst aufgeschlossenes Theater, spannende, in diesen Besetzungen kaum anderswo anzutreffende Konzertprogramme werden auch im Jubiläumsjahr 2010 offeriert. Hofmannsthals Traum von einem „Europäismus, der die Zeit von 1750 bis 1850 erfüllt und erhellt hat“, hat sich zur perspektivischen Weltkultur, auch der Gegenwart, geweitet. Ein Rezept auch gegen die Krise? Im Vorjahr wurden jedenfalls mehr Karten abgesetzt, als erwartet wurde. Krise hat eben verschiedene Facetten.

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