Erfundene Dokumentation

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Zum Europäischen Monat der Fotografie ermöglicht das Wiener "Museum auf Abruf" einen spannenden Blick in die Welt des Fotos.

Genauso wie einst die Maler durch ihre Präsenz den Blick der Menschen gelenkt haben, so tut dies heutzutage zu einem hohen Maße die Fotografie. Unser Alltagsblick verhält sich oft so, als sei er eine Kamera, er schaut mit eben diesen Einstellungen auf die Welt, wie es die unzähligen fotografischen Bilder vorgeben, mit denen diese vollgeklebt ist. Es lohnt also, einmal der Fotografie selbst einen genaueren Blick zu schenken. Der Europäische Monat der Fotografie fordert dazu mit aufregenden Arbeiten auf, wie sie noch kurze Zeit im Museum auf Abruf zu sehen sind.

Dort trifft man einmal auf das "klassische" Foto, das etwas dokumentiert. Bei Marek Kvetán etwa genau den oben beschriebenen Umstand der Weltbebilderung. Bei Eva Frappicini sind es Orte, an denen Verbrechen geschehen sind und die nun wieder so aussehen wie viele andere Plätze auch. Bei Nina Dick öffnet sich das Dokumentarische bereits etwas, ihre Waste Lands sind aus drei Einzelfotos zu einer Landschaft aneinandergefügt, diese "Verdichtung" drängt sich dann in der gleichnamigen Serie zu ungegenständlichen Graukörpern zusammen.

Dieser dokumentarische Aspekt fängt dann besonders zu vibrieren an, wenn man die Arbeiten von Philippe Ramette mit jenen von Beate Gütschow vergleicht. Die Inszenierungen von Ramette lassen sofort vermuten, dass hier einer mit Hilfe der digitalen Bildbearbeitungsmöglichkeiten eine neue Welt erstehen lässt und diese als fotografisches Abbild ausgibt. Beate Gütschows Arbeiten hingegen erscheinen als romantische Einblicke in Landschaftsausschnitte für den Sonntagnachmittag. Erst bei einer genauen Analyse, bei der die Aussagen der Autoren sowie die Videodokumentation der Entstehung hilfreich sind, bemerkt man, dass es sich genau umgekehrt verhält.

Gütschow setzt ihre Arbeiten aus bis zu 80 Elementen zusammen, und nur dann und wann entdeckt man ein Bein, das sich niemals in dieser Form an eine Bodenerhebung anschmiegen kann. Ramettes Strategie geht den entgegengesetzten Weg: Er baut aufwändige, weil zumeist versteckte Konstruktionen, um sich dann in all den unmöglichen Lagen präsentieren zu können, die völlig jenseits unserer Alltagserfahrung liegen.

Einen Mittelweg wählt das Künstlerkollektiv AES+F. Ihre Arbeiten zeigen unwirkliche Szenen mit ebenso unwirklich wirkenden Menschen, sie verwandeln die Welt im digitalen Prozess in eine digitale Parallelwelt. Damit schließt sich der Kreis, auch die am meisten realitätsnahe Dokumentation lebt nur als Erfindung.

Mutations I

Eine Ausstellung des

Europäischen Monats der Fotografie

Museum auf Abruf

Felderstraße 6-8, 1010 Wien

Bis 6. 10. Di-Fr 11-18, Do 11-20 Uhr,

Sa 11-16 Uhr

Katalog: Pierre Stiwer (Hg.), Mutations I.

2006/07, Contemporary European Photography, Rom 2006, 168 S., € 15,-

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