Ergebnis einer Vermischung

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Eine unmögliche, aber reale Beziehung im heutigen Frankreich ist Ausgangspunkt der Komödie "Der Name der Leute“. Er: halb Jude. Sie: halb Algerierin, halb 68erin. Regisseur Michel Leclerc und Autorin Baya Kasmi im Gespräch dazu.

Sie sind - wie Ihre Protagonisten - ein Multikulti-Paar: Regisseur Michel Leclerc und Drehbuchautorin Baya Kasmi über ihren autobiografisch angehauchten Film "Der Name der Leute“.

Die Furche: Würden Sie Ihren Namen im Fall einer Heirat ändern?

Michel Leclerc: (lacht) Nur zu einem Doppelnamen! Dieser Film begann vor zehn Jahren, als ich Baya kennenlernte. Sie sagte mir ihren Namen und ich fragte: "Ist das brasilianisch?“ und dachte dabei an die sexy Copacabana. Sie antwortete: "Nein, algerisch, ich weiß, das ist weniger sexy.“ Immer, wenn wir danach über unsere Familien sprachen, stellten wir trotz aller Unterschiede gewisse Gemeinsamkeiten fest, zum Beispiel bei den Neurosen und Obsessionen unserer Eltern. Tatsächlich basieren Liebesbeziehungen vielmehr auf einem gemeinsamen Familienhintergrund als auf einer vermeintlichen Zugehörigkeit zu einer bestimmten religiösen oder ethnischen Gruppierung.

Baya Kasmi: Die Gesellschaft hat stark vereinfachte Vorstellungen, die implizieren, dass ein bestimmtes Verhalten auf die jeweilige Herkunft zurückzuführen ist. Wir passen da nicht hinein und viele andere Menschen auch nicht.

Die Furche: Wie beurteilen Sie die aktuelle politische Situation in Frankreich in Bezug auf algerische Mitbürger?

Leclerc: In Frankreich - aber vielleicht auch in Österreich - ist die Frage nach der Herkunft kompliziert und zugleich zwanghaft. Wie kann man seinen Wurzeln treu bleiben, ohne sich völlig einer Gruppenidentität zu unterwerfen? Während unserer Dreharbeiten kam es in Frankreich zu dieser unausstehlichen, von Sarkozy gestarteten Debatte über nationale Identität, und es war eine logische Reaktion, dass wir die Geschichte in die Zeit nach der schockierenden Präsidentschaftswahl von 2002 platzierten. (Bei der der rechtsextreme Le Pen den sozialistischen Kandidaten Jospin abgehängt hatte, der im Film einen Gastauftritt hat, Anm.)

Die Furche: Beide Hauptfiguren, Arthur und Bahia, leiden darunter, dass man ihnen ihre Herkunft nicht ansieht ...

Leclerc: Sie haben den Eindruck, dass ihre Identität nicht dem Bild entspricht, das andere von ihnen haben. Das erzeugt bei beiden ein Schuldgefühl: Im Gegensatz zu ihren Eltern und Großeltern, die aufgrund ihrer Herkunft leiden mussten, ist ihnen bewusst, dass sie nicht genauso leiden. Arthur gehört außerdem zu den Menschen, die über eine gewisse moralische Rechtschaffenheit verfügen, die sie davon abhält, Zugeständnisse zu machen. Das ist auch das, was man Lionel Jospin vorwirft und daher ist es kein Zufall, dass Arthur Jospin-Anhänger ist. Wir fanden die Idee toll, einen sehr ernsten Charakter ohne Sinn für Humor in einer Komödie zu haben.

Die Furche: Wie haben Sie sich die Eltern der beiden vorgestellt?

Leclerc: Die Eltern von Arthur haben ihr ganzes Leben darauf aufgebaut, dass man die Wunden ihrer Vergangenheit nicht aufreißt. Sie sind in den 50er-Jahren aufgewachsen, sind fasziniert vom Fortschritt und glauben daran, dass die Welt durch die Erfindung von Spülmaschine und Toaster besser geworden ist. Das ist ein Glück, das vielleicht lächerlich erscheint, aber es ist Glück.

Kasmi: Die Eltern von Bahia sind, wie meine, von den 70ern geprägt. Obwohl die Mutter Französin ist, mag sie ihr Land nicht besonders. Für sie ist Frankreich ein Land von Kolonialisten, Kollaborateuren und Umweltsündern. Das ist wiederum die sehr französische Eigenschaft des Selbsthasses. Französisch zu sein ist auch den König zu köpfen, zu revoltieren und jede Form von Nationalismus zu verabscheuen.

Die Furche: Ihre Figuren scheinen sich allen Schubladen zu entziehen, die man so kennt.

Leclerc: Ebenso wie wir sind auch sie das Ergebnis einer "Vermischung“, ihr Name enthüllt nicht mehr notwendigerweise, wer man ist oder eigentlich sein sollte - man kann Goldenberg heißen und nicht mehr jüdisch sein, wenn man es nicht sein will.

Kasmi: Trotzdem wollen wir den Widerspruch akzeptieren, dass wir es einerseits ablehnen, aufgrund von Herkunft-Stereotypen identifiziert zu werden, andererseits aber unsere Wurzeln nicht vergessen. Nur weil man sich untereinander mischt, heißt das nicht, dass man verschwindet.

Die Furche: Unübersehbar jedenfalls ist Woody Allen als Vorbild in Ihren Filmen …

Leclerc: Sogar unser Sohn heißt Woody. Muss ich noch mehr sagen? Am liebsten würde ich jeden von Woody Allens Filmen nachmachen, ich fürchte nur, dass mein Leben dafür nicht ausreicht. Ich träume heimlich davon, dass er eines Tages eine Plagiatsklage gegen mich einreicht, damit ich ihn endlich persönlich treffen kann!

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