Éric Rohmer Retrospektiv

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An den im Jänner verstorbenen Meister der Nouvelle Vague erinnert die Viennale.

#Wenn ein Autor und sein Werk einmal anerkannt und geradezu klassisch geworden sind, kann es leicht sein, dass die Zuschauer wenig Grund sehen, sich noch mit ihm zu beschäftigen#, meint Alexander Horwath, Direktor des Österreichischen Filmmuseums: #Viele Klassiker teilen das Schicksal, auf den Bücherregalen oder in den Archiven zu verstauben # mit der Zeit kennt man sie immer schlechter, weil man glaubt, sie gut zu kennen.# Damit es Éric Rohmer nicht auch so ergeht, ist die diesjährige Retrospektive des Filmfestivals Viennale dem französischen Filmemacher gewidmet, der im Jänner dieses Jahres 89-jährig verstorben ist. Wie immer findet die Retrospektive im Filmmuseum statt.

Rohmer, der in Wahrheit Maurice Schérer hieß, gehört zu der berühmten #Fünferbande# der französischen Nouvelle Vague (François Truffaut, Jean-Luc Godard, Jacques Rivette und Claude Chabrol waren die anderen). Er arbeitete aber auch als Lehrer, drehte Filme für das französische Schulfernsehen, unterrichtete Filmgeschichte an der Universität und war Chefredakteur der legendären Filmzeitschrift Cahiers du Cinéma.

Das Kino betrachtete der theoretisch äußerst beschlagene Regisseur als #Kunst des Raumes#, Sprache war ihm sehr wichtig. In Rohmers Filmen wird viel geredet, ablehnenden Zeitgenossen galt er daher als geschwätzig, ja er musste sich den Vorwurf des #abgefilmten Theaters# gefallen lassen. Aufgrund seiner vermeintlich trivialen Sujets # Liebe und Erotik # # galt er als Konservativer, doch was heißt das schon in einer Zeit, in der Maoismus unter Intellektuellen hoffähig war. Aber Rohmer gelang es wie vielleicht keinem Zweiten, den jeweiligen Zeitgeist filmisch einzufangen. #Die Bäckerin von Monceau# etwa ist heute ein soziologisches Dokument darüber, wie man 1962 sprach, sich kleidete und wie Mann und Frau miteinander interagierten. Der als Stilmittel gern eingesetzte Gestus des Improvisierten verstärkt den Dokumentarcharakter seiner Filme.

Ein Schaffen in Zyklen

Éric Rohmer teilte einen Teil seines Filmschaffens in Zyklen ein: #Moralische Erzählungen#, #Komödien und Sprichwörter#, #Erzählungen der vier Jahreszeiten#. Zu den #Moralischen Erzählungen# zählen seine frühen Meilensteine: Neben der #Bäckerin von Monceau# waren dies #Die Karriere von Suzanne# (1963), #Die Sammlerin# (1966), #Meine Nacht bei Maud# (1969), Claires Knie (1970) und #L#amour L#Après Midi# (1972), Meine Nacht bei Maud#, immerhin mit Jean-Louis Trintignant in einer Hauptrolle, wurde die Filmförderung verweigert, weil er nicht den strengen Cineasten-Kriterien der damaligen Zeit entsprach # und wurde prompt ein großer Publikumserfolg.

Später wandte sich Rohmer historischen Sujets zu. #Die Marquise von O## (1976) nach der Novelle von Kleist war eine deutsche Produktion, unter anderen wirkten Bruno Ganz, Otto Sander und Ruth Drexel mit. Rohmer, der ausgezeichnet Deutsch # und kein Englisch # sprach, schätzte Mozart und Beethoven, Goethe und Kant. Ein weiterer Versuch Éric Rohmers, einen literarischen Klassiker in Film zu übertragen, war #Perceval le gallois# (1978), die Übertragung des Parzifal-Epos von Chrétien de Troyes in künstlich wirkenden Studio-Dekorationen.

Rohmers Gesamtwerk ist nun im Filmmuseum zu sehen. Vielleicht die letzte Chance, diese Filme im Kino zu sehen, bevor der von Alexander Horwath befürchtete Effekt eintritt und sie in den Archiven vergammeln.

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