Erinnerung als erschütternder Albtraum

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Lisa und ihr Mann, der deutsche Karrierediplomat Walter, reisen 1960 nach Brasilien. Auf ein neues Leben, lautet ihre Devise. Am Schiff erkennt Lisa eine Passagierin, die sie längst für tot geglaubt hat: die Polin Marta, mittlerweile britische Staatsbürgerin. 1944 sind sie einander zum ersten Mal begegnet, in Auschwitz, wo die brutale, egomanischpräpotente SS-Aufseherin Lisa Marta demütigte und nichts unternahm, um deren Verlobten, den Geigenvirtuosen Tadeusz, dem Tod zu entreißen.

Spannend und aufrüttelnd

Bei Lisa kommen diese Bilder wieder hoch, die Reise wird für sie zum Albtraum. Die Hoffnung auf eine unbeschwerte, glückliche Zukunft zu zweit wird überschattet von der eigenen, unbewältigten Vergangenheit. Daran kann auch der Versuch eines gemeinsamen Tanzes mit ihrem sie beschwichtigenden Mann nichts ändern. Denn mitten hinein platzt ihre Erinnerung an das letzte Auftreten von Tadeusz vor seinem Tod mit Bachs Chaconne. Sie wird hier zum Symbol für den aussichtslosen Kampf gegen den Tod, zur Metapher des unverantwortlichen Missbrauchs der Kunst durch eine brutale Politik.

Ein aufrüttelnder Stoff, den Mieczysl aw Weinberg mit einer Mischung aus Tonalität und Atonalität, Folklore und Agitprop-Musik, durchaus seinem Landsmann Schostakowitsch ähnlich, in Musik gesetzt hat. Momente der Stille suggerieren in diesem Kontext besondere Spannung, zuweilen aufrüttelnde Atemlosigkeit. Obwohl bereits 1968 fertiggestellt, wagten sich erst vor sechs Jahren die Bregenzer Festspiele an die szenische Uraufführung dieses tief bewegenden Zweiakters. Nicht diese, sondern die vor zwei Jahren an der Frankfurter Oper herausgebrachte Inszenierung gastierte im Rahmen der Wiener Festwochen.

Anselm Weber setzt dieses erschütternde Zeitdokument klar auf die Hauptpersonen zentriert, schnörkellos und damit umso eindringlicher in Szene, in einem von Katja Haß dem Innenleben eines Schiffs nachempfundenen Bühnenbild. Dieses wird zwischendurch zum Schauplatz der an Gehässigkeit kaum zu übertreffenden Auschwitz-Reminiszenzen.

Souverän und spannungsreich führte Christoph Gedschold das bestens vorbereitete Frankfurter Opern-und Museumsorchester und den Chor der Oper Frankfurt durch Weinbergs meisterhafte Partitur. Den sich zu einem stimmigen Ensemble fügenden Solisten - voran den Hauptdarstellern Lisa (prägnant ihre Erschütterung zeigend Tanja Ariane Baumgarter), Walter (blass Peter Marsh) und der sich im Epilog eindrucksvoll gegen jedes Vergessen auflehnenden Marta (ausdrucksstark und differenziert Sara Jakubiak) - war er zudem ein inspirierender Begleiter.

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