Erinnerung an einen prophetischen Bischof

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Der vor 23 Jahren verstorbene Wiener Weihbischof Florian Kuntner versuchte in der Orts-wie der Weltkirche, den Geist des II. Vatikanums weiterzutragen. Ingeborg Schödl holt in ihrem neuen Buch den Kirchenmann, der sich kein Blatt vor den Mund nahm, vor den Vorhang.

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Der vor 23 Jahren verstorbene Wiener Weihbischof Florian Kuntner versuchte in der Orts-wie der Weltkirche, den Geist des II. Vatikanums weiterzutragen. Ingeborg Schödl holt in ihrem neuen Buch den Kirchenmann, der sich kein Blatt vor den Mund nahm, vor den Vorhang.

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Am 31. März sind es 23 Jahre, dass Florian Kuntner 61-jährig an den Folgen einer Tropenkrankheit verstorben ist. Der Wiener Weihbischof galt als "bischöflicher Zwilling" von Helmut Krätzl. Diese Charakteristik hat vor allem mit dem 20. November 1977 zu tun. Denn an diesem Tag wurden beide von Kardinal Franz König im Stephansdom zu Weihbischöfen geweiht. "Florian Kuntner kämpfte stets für eine Kirche, die den Dialog mit der Welt aus der Zuversicht des Glaubens, aber auch im Respekt vor anderer Meinung führt." Mit diesen Worten würdigt der heute 85-jährige Krätzl seinen Mitbruder im Buch "Florian Kuntner -Vom Lausbuben zum Bischof", das die Publizistin Ingeborg Schödl verfasst hat.

Die Begeisterung fürs II. Vatikanum und der nimmermüde Elan, am Weitertragen von dessen Geist mitzutun, hatten Krätzl und Kuntner gemeinsam, auch wenn das persönliche Charisma und auch die je eigenen Zugänge zu Glaube, Kirche und Welt unterschiedlich waren. Krätzl blieb nicht zuletzt als Buchautor in der kirchlichen Öffentlichkeit präsent, Kuntners früher Tod hatte auch zur Folge, dass immer weniger von dem prophetischen Kirchenmann wissen.

Es ist Ingeborg Schödl zu danken, Florian Kuntner wieder vor den Vorhang zu holen. Ihr in gewohnt gut lesbarer Prägnanz verfasstes Buch zeichnet in großen Strichen ein Leben nach, das in vielen Facetten beispielhaft war. Erzählte kirchliche Zeitgeschichte also, die -gefühlt -schon weit zurückliegt.

In der Buckligen Welt 1933 auf einem Bauernhof als jüngstes von insgesamt zwölf Kindern geboren, schlug Kuntner die Priesterlaufbahn ein. Seine erste prominente Pfarrerstelle war 1962 Piesting, 1971 wurde er Dompropst in Wiener Neustadt. Ab 1969 war er als Bischofsvikar des Südvikariates, das im Zuge der nachkonziliaren Reformen geschaffen worden war, Stellvertreter des Wiener Erzbischofs in dieser Region.

Stimme gegen kirchliche Restauration

Als 1986 Hans Hermann Groër neuer Erzbischof von Wien wurde, begann ein starker Retro-Wind zu wehen. Ein Konzilsbewegter wie Kuntner hatte da keinen Platz - er musste sein Amt in Wiener Neustadt und den Bischofsvikar aufgeben. Allerdings war Kuntner bereits 1980 zum Nationaldirektor der Päpstlichen Missionswerke ernannt worden. In dieser Funktion wurde er zum "Weltbischof" Österreichs - und nahm auch politisch pointiert Stellung. Auch als Vorsitzender der Kommission "Iustitia et Pax" sowie der christlichen Friedensbewegung "Pax Christi" eckte er an. Schödl zitiert im Buch aus einem Leitartikel Thomas Chorherrs, in dem der damalige Presse-Chefredakteur schrieb, "dass er wegen Kuntners naiven Wortmeldungen 'im Namen seiner blauäugigen und naiven Vereinigung'(gemeint war 'Pax Christi') zu blutdrucksenkenden Mitteln greifen musste". Themen wie Frieden und Gerechtigkeit, Bewahrung der Schöpfung (schon Jahrzehnte vor der Enzyklika "Laudatio Si") gehörten ebenso zu Kuntners Agenda wie der Einsatz gegen Fremdenfeindlichkeit in Österreich. Als Anfang 1993 in Wien Hunderttausende mit dem "Lichtermeer" gegen das Ausländervolksbegehren der FPÖ unter Jörg Haider protestierten, war Florian Kuntner einer der Redner.

Auch innerkirchlich war der Bischof ein Mutiger. Als im Pontifikat Johannes Pauls II. immer mehr kritische Stimmen gerade in der Hierarchie verstummten oder nicht wagten, sich zu äußern, blieb Kuntner ein unermüdlicher Trommler für Reformen. Zur Priesterweihe verheirateter Männer, zur Zölibatsdiskussion, aber auch gegen päpstliche Redeverbote zu Fragen der Frauenordination ließ sich Kuntner nicht den Mund verbieten.

Und erst recht redete und schrieb er gegen die von Rom verordnete restaurative Kirchenwende in Österreich an: Bischofsernennungen wie jene Kurt Krenns (1987 zum Wiener Weihbischof, 1991 zum Bischof von St. Pölten) hatten im größeren Teil des Katholizismus Fassungslosigkeit hervorgerufen, wie sehr Rom bloß auf Denunziationen des ultrakonservativen Kirchenlagers hörte. Florian Kuntner thematisierte diese untragbare Situation auch Rom gegenüber.

Legendär 1987 sein Brief an den Papst, in dem er dies auch offen ansprach. Johannes Paul II. empfing Kuntner auch. Vordergründig hat das wenig an der prekären kirchlichen Situation im Lande geändert. Für die Widerstand leistenden Laien war aber die engagierte Stimme dieses Bischofs eine große moralische Unterstützung.

Florian Kuntner Vom Lausbuben zum Bischof. Von Ingeborg Schödl, Tyrolia 2017.144 Seiten, geb., € 19,95

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