Erinnerungskultur und Prognose

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Von 19. bis 25. November fand die achte Vienna Art Week statt. Unter dem Titel "Predicting Memories“ fokussierte man den Umschlagplatz zwischen Vergangenheit und Zukunft.

Angeblich wird hierzulande gerne gejammert. Warum also nicht auch über unsere mit bildlichen Mitteln überfrachtete Umwelt, über den steten optischen Overkill jammern? Nützt in einer solchen Situation der gutgemeinte Ratschlag, man soll sich nicht aufregen, sondern nur wundern? Die heuer bereits zum achten Mal realisierte Vienna Art Week verfolgte ein anderes Konzept. Statt jammern, wundern und vielleicht sogar davonlaufen, wollte das einwöchige dichte Programm an unterschiedlichen Veranstaltungen jene Kompetenz des Blicks vermitteln, die in die Lage versetzt, die Spreu vom Weizen zu trennen.

Einen Ausweg aus der Überfülltheit gibt es nicht, aber die Möglichkeit, sich auf jene Überfülle zu konzentrieren, die Kunstwerke per definitionem anbieten. Gerade Wien mit seinen großen Museen, der lebendigen Galerienszene und den vielen Off Space-Projekten bietet sich als urbanes Beispiel der Überfülle an.

Die Vienna Art Week thematisiert und präsentiert dieses reichhaltige Angebot jeweils unter einem zeitadäquaten Motto. "Predicting Memories“ hieß es heuer und verlagerte damit den Schwerpunkt auf den Umschlagplatz zwischen Vergangenheit und Zukunft. Wie hängen Erinnerungskultur und Zukunftsprognose zusammen? Welche Zukunft lässt sich mit unseren Gedächtnisspeichern entwickeln? Inwieweit bietet sich auch die Kunst als Wissensspeicher an, und in welcher Form beteiligen sich Kunstschaffende an der Entwicklung hoffnungsvoller Utopien - oder vielleicht sogar an deren Verwirklichung? Wie viele Veranstaltungen der Vienna Art Week gezeigt haben, lassen sich sehr unterschiedliche Kunstprojekte entlang derartiger Fragestellungen näher betrachten.

Dieses Motto beschreibt den Standort Wien noch in anderer Hinsicht. Ein reiches kulturelles Erbe steht zur Verfügung und wird auch exzessiv zur weltweiten Vermarktung der Stadt genutzt; diese üppige Vergangenheit trifft aber auch auf eine ebenso reichhaltig bestückte Gegenwart. Da lassen sich dann Entwicklungsstränge finden, die einmal das Vorhandene bejahend für heute weiterentwickeln - und die im anderen Fall in einer schroffen Ablehnung des Althergebrachten alles ganz anders machen wollen. Mit der nötigen Ernsthaftigkeit vollzogen, können beide Wege zu wunderbaren Ergebnissen führen und ganz nebenbei gemeinsam mit dem Projekt des amerikanischen Malers Ed Ruscha mit Augenzwinkern behaupten, dass die Alten alle unsere großen Ideen gestohlen hätten.

Geschmack erzeugt Geld

Die Vienna Art Week nimmt aber auch das Verhältnis zwischen künstlerischem Schaffen und der wirtschaftlichen Seite, der Vermarktung desselben, in den Blick. Trifft der Slogan der Kunstmesse in Hongkong zu, dass "Geld Geschmack erzeugt“? Oder muss es nicht viel eher umgekehrt heißen: "Geschmack erzeugt Geld“? Die Tendenz, Galerien in riesige Supermärkte zu verwandeln, die dann als Kunstmessen nach dem Disney-Land-Prinzip mit gleichem Aussehen, gleicher Ware und gleichen Marketingstrategien weltweit den Einheitskunstkäufer bedienen, gefällt weder Galeriebetreibern noch Kunstschaffenden. Resultat wäre ein Einheitsbrei, eine standardisierte Kunstproduktion, alles wäre abgestimmt auf einen mit viel Werbeaufwand erzeugten Publikumsgeschmack, mit den Mitteln der Statistik leicht kalkulierbar.

Diese Vision gehört so gar nicht zu den angepeilten Möglichkeiten unserer zukunftserzeugenden Erinnerungen. Künstlerische Unabhängigkeit im Sinne des Fehlens starrer Erwartungshaltungen vermag einen Beitrag zu jenen Utopien zu eröffnen, die eine erstrebenswerte Zukunft bilden.

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