Erkundungen zur Demokratie

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Studienreise durch Litauen. In Vilnius stehen Fernsehturm und Pressehaus gleichberechtigt neben dem Parlament als Mahnmale der Demokratie. Dort hatten Anfang 1991 Tausende singend und frierend vor Panzern der auszuckenden Sowjetunion die Unabhängigkeit verteidigt. Fernsehen und Presse galten neben dem Hohen Haus als wichtigste Bollwerke solcher Freiheit. Mehr als ein Dutzend Tote waren der Preis für den gewaltfreien Widerstand. Doch der globale Medienaufschrei stoppte die Sowjet-Aktion.

Heute ist in Litauen die Kritik an politischen Parteien und medialen Produkten so umfassend wie hierzulande. Über eines herrscht aber auch ein Vierteljahrhundert nach der Existenzkrise Einigkeit: Ohne die Mandatare und Journalisten sowie ihre Verteidiger von einst wäre dieser Staat nicht.

Das führt zur Frage, ob es auch jetzt noch so geschähe. Der technische Fortschritt der Kommunikation erhebt alle möglichen Empfänger zu potenziellen Sendern, schafft aber gerade wegen dieser unüberschaubaren Vielfalt von Quellen ein Glaubwürdigkeitsproblem. Heute würde kein Mensch mehr einen Fernsehturm oder ein Pressehaus verteidigen. Doch ohne deren demokratische Relevanz fehlt wiederum der klare organisatorische Angelpunkt für den Schutz von gemeinschaftlichen Institutionen.

Flashmob vor dem Parlament? Selfie mit Feinden? YouTube-Video vom Panzerangriff? Twitter-Kampfrhetorik gegen militärische Aggressoren? Facebook-Empörung à la "Ich bin Litauer"?

Besuche in jungen Demokratien führen aufgrund noch aufrechter Geburtserinnerung zu den wichtigen Fragen über Politik und ihre Vermittlung. Sie gemahnen an eine konstitutive Rolle von Journalismus für die Qualität einer Gesellschaft. In dieser Rückbesinnung auf den Vorrang von Relevanz gegenüber Profit liegt eine Überlebenschance für Medien -wie wir sie weiterhin brauchen. Als Wächter der Demokratie.

Der Autor ist Medienberater und Politikanalyst

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