Erweiterung beflügelt Betrügerphantasien

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Mit einer deutlichen Zunahme von Betrugsfällen in der erweiterten Union rechnet EU-Parlamentarier Herbert Bösch. EU-Beamte werden gezielt von privaten Firmen abgeworben, um sich mit Insiderwissen Subventionen zu ergaunern.

Die Europäische Union wächst, und die Betrugsfälle in der Union werden gleichermaßen wachsen, befürchtet Herbert Bösch. "Ich erwarte mir eine deutliche Zunahme der Betrügereien", sagt der sozialdemokratische EU-Parlamentarier im Gespräch mit der Furche. Das habe nichts damit zu tun, macht Bösch eine Einschränkung, dass die neuen Mitgliedsländer betrugsanfälliger seien als die bisherigen EU-Staaten - doch "wo es viel Subvention gibt, da gibt es auch viel Versuchung".

Bis 2006 bekommen die zehn Neuen 16 Milliarden Euro pro Jahr aus Brüssel überwiesen - vor allem Agrar- und Regionalsubventionen. In den ersten Jahre nach der Erweiterung, fürchtet Bösch, "werden wir Dinge hören, die uns nicht freuen". Danach, prognostiziert der Parlamentarier, dass sich das Betrugsniveau wieder auf ein "immer zu hohes, aber bekanntes Maß" einpendelt. 95 Prozent des EU-Budgets sind Subventionen, rechnet der Vorarlberger vor. "Das ist einmalig und regt die Phantasie von Betrügern an."

Zwei Milliarden Euro Verlust

Hinzu kommt, dass die neuen Mitglieder mit dem bürokratischen Aufwand zur transparenten Mittelvergabe nach wie vor überfordert sind, meint Bösch. Bei den Agrarhilfen müssen die Länder meist keinen eigenen Beitrag zu den Brüsseler Subventionen beisteuern, weshalb Bösch diesen Bereich für besonders betrungsanfällig hält. EU-Lanwirtschaftskommissar Franz Fischler hat zwar versichert, kein Geld an Staaten zu überweisen, denen es an den notwendigen Kontrollvoraussetzungen fehlt - doch Bösch ist skeptisch, dass die Kommission dem politischen Druck der betroffenen Regierungen standhalten kann.

Vergangenes Monat hat Herbert Bösch seinen Betrugsbericht des EU-Haushaltskontrollausschusses vorgelegt: Demnach sind im Jahr 2002 gut zwei Milliarden Euro in dunkle Kanäle gelangt - rund zwei Prozent aller EU-Ausgaben und fast eine Verdoppelung der Schadenssumme von 2001. Etwas mehr als die Hälfte dieser Unregelmäßigkeiten haben die Mitgliedsländer selbst gemeldet, die übrigen Betrügereien konnte die EU-Betrugsbekämpfungsbehörde OLAF aufdecken.

Ohne Zähne keine Wurst

Daneben rechnen die Haushaltskontrollore mit einer steigenden Dunkelziffer an Betrugsfällen. Die lässt sich unter anderem daran ableiten, dass die größten Mittelempfänger, Beispiel Spanien, die wenigsten Betrugsfälle melden. Wären verbilligte Darlehen statt Gratissubventionen oder Kofinanzierungsmodelle - das Mitgliedsland muss die EU-Gelder aufstocken - geeignete Möglichkeiten, um Betrugsfällen vorzubeugen? Grundsätzlich ja, meint Bösch, gibt aber zu bedenken, dass die EU den neuen Ländern nicht ständig die "Förderungswurst" vor die Nase halten kann, diese Staaten aber nicht zubeißen können, weil es ihnen an den notwendigen Zähnen dafür fehlt.

Das EU-Subventionssystem ist nicht leicht durchschaubar. In den letzten Jahren wurden zwar viele Beamte aus den neuen Ländern damit vertraut gemacht - diese würden aber jetzt gezielt von privaten Firmen abgeworben. "Bei Consulting-Firmen lässt sich um das Drei- bis Vierfache mehr verdienen als in der staatlichen Verwaltung", erklärt Bösch. Da brauche es nicht zu wundern, wenn ehemalige Beamte "ihr Insider-Wissen zum Einsammeln von EU-Geldern für Private nützen".

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