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Umut Da˘ g, österreichischer Regisseur kurdischer Herkunft, erzählt in seinem ersten Langspielfilm "Kuma“ eine ungewöhnliche Frauengeschichte im muslimischen Milieu.

Offiziell sind "Kumas“, Zweitfrauen, verboten. Dennoch leben nach Zählungen der Regierung in Ankara mehr als 186.000 Kumas in der Türkei. Umut Da˘g, österreichischer Regisseur kurdischer Herkunft, nimmt in seinem ersten Langspielfilm "Kuma“ die damit verbundenen Fragen und Lebensweisen zum Ausgangspunkt seiner Film-Erzählung.

Die Furche: Was hat Sie an dieser Geschichte interessiert?

Umut Dag: Für mich haben Frauen prinzipiell die spannenderen Geschichten zu erzählen. Das sage ich jetzt nicht aus einem plumpen Gender-Gedanken heraus, sondern weil es in der Filmgeschichte einfach viel weniger Filme über Frauen gibt. 95 Prozent der Filme handeln von Männern, wo Frauen nur Zierde sind. Es war mir wichtig, in "Kuma“ den Männern so viel Raum zu geben, wie normalerweise den Frauen in anderen Filmen eingeräumt wird. Mein Ansatzpunkt war die Mutterfigur, die veraltete Wertvorstellungen hat, an denen sie festhält. Wertvorstellungen, die für sie der einzige Anker sind, weil sie sie für die richtigen hält, mit denen sie ihre Familie beschützen kann. Das Phänomen der Zweitfrau habe ich aus der Türkei gekannt, auch wenn es keine gängige Situation ist. Ich dachte mir, dass es auch Fälle geben muss, wo die Frau für die Familie eine zweite Frau holt. Das schien mir ein sehr packender Gedanke, weil die türkische Gesellschaft stärker als andere für den Schein nach außen hin lebt. Es geht stark darum, was hat eine Familie erreicht? Ist die Familie stolz auf ihre Kinder? Was repräsentiert man nach außen hin?

Die Furche: Unweigerlich drängt sich die Frage nach dem Einfluss Ihrer eigenen Herkunft auf...

Dag: Den gibt es aber nicht. Ich bin in Wien als Sohn kurdischer Eltern, die aus der Türkei stammen, geboren. Mein Vater war Arbeiter, meine Mutter Hausfrau. Ich bin im 20. Bezirk in einem Migranten-Arbeiterviertel aufgewachsen und komme aus keiner künstlerischen Familie. Es ist also ein kleines Wunder, dass ich nun mit einem Film dastehe, der auch auf der Berlinale gelaufen ist.

Die Furche: "Kuma“ ist ein Film, der über eine geschlossene Gesellschaft innerhalb der österreichischen Gesellschaft erzählt.

Dag: Das ist ein prinzipielles Thema, das Zuwanderung mit sich bringt, aber kein kulturspezifisches Phänomen. Wir sind in Wien, es ist eine Debatte, die aktuell bleiben, zumindest noch ein, zwei Generationen dauern wird. Leider.

Die Furche: Das muslimische Frauenmagazin "Habibe“ unterstellt, Sie wollten mit diesem Film "nur Ruhm erlangen (...) durch solch eine schlechte Darstellung der anatolischen Kultur.“

Dag: Es ist selbstverständlich, dass ein Film nie jedem gefallen können wird. Mir hat die Herausgeberin des Magazins persönlich geschrieben und mir gesagt, dass sie den Film aus kulturellen und religiösen Gründen nicht gut heißen kann. Ich sehe dahinter ein tiefer liegendes Problem: Medien schüren oft eine leidige Integrations- und Islamdebatte, die nur künstlich aufgebauscht und von der Politik dankend aufgenommen wird. Dadurch sind viele Menschen auf eine Art und Weise sensibilisiert, dass sie einen Film, der in so einem Milieu spielt nicht mehr als das sehen können, was er ist - nämlich ein Film, der in einer türkischen Familie in Wien spielt - sondern ihn nur noch als politisches Statement wahrnehmen. Diese aufgeladene Stimmung führt dazu, dass alle, die sich ernsthaft mit Themen auseinandersetzen, um eine Geschichte zu erzählen, über denselben Kamm geschert werden wie diejenigen, die Agitation betreiben, um plumpe Aufmerksamkeit zu erreichen. Dies macht mich nicht nur traurig, sondern sehr wütend. Ich bin verzweifelt aufgrund der Ohnmacht, mit der ich konfrontiert bin, da ich das Gefühl habe, gegen Windmühlen kämpfen zu müssen. Bei Vorführungen in Wien und Berlin haben sich junge muslimische, bedeckte Frauen bei mir bedankt für diese Darstellung von jungen muslimischen Frauen, weil sie das so noch nicht gesehen haben.

Die Furche: Ihr vorangegangener, mittellanger Film "Papa“ hatte einen plötzlich alleingelassenen Vater im Mittelpunkt - interessiert Sie das Aufbrechen von Rollenstrukturen?

Dag: Mich interessiert primär das, was ich nicht verstehe. Alles, was ich nicht nachvollziehen kann, was mir fremd ist, in das will ich mich oft hineinarbeiten. Dann ist natürlich auch die Familie ein Feld, aus dem ich mir Inspirationen hole. Wenn man versucht, eine Geschichte zu erzählen, muss man ja auch darauf achten, was man selber mitfühlen kann, wo man selber eine Verbindung hat.

Die Furche: Verstehen Sie sich als Vertreter des "Migrantenkinos“?

Dag: Ich kenne den Begriff, finde ihn aber nicht unbedingt benutzenswert. Ich denke nicht darüber nach, was ich als kurdischer Österreicher ins Kino bringen will. Das ist nicht der Grundgedanke, der mich zum Erzählen motiviert. Mir ist ein authentisches, wahrhaftiges Erzählen im Sinne von Emotion wichtig. Ich will mitfühlen und mitzittern.

Kuma

A 2012. Regie: Umut Dag.

Mit Nihal Kolda¸s, Begüm Akkaya,

Vedat Erincin. Filmladen. 93 Min.

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