Erzählung als Verweigerung sdfsdf

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Fritz Krenn bleibt in der Geschichte "Cramer" dem Leser allzuviele Aufschlüsse schuldig.

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Fritz Krenn bleibt in der Geschichte "Cramer" dem Leser allzuviele Aufschlüsse schuldig.

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Der erste Blick genügt, nicht selten wissen danach zwei Menschen, ob die Chemie zwischen ihnen stimmt oder ob alles, was folgt, sich mühsam von Konvention und Anstand gekittet dahinschleppen wird. Der erste Blick ist im Fall von Literatur der erste Satz, und der klingt im jüngsten Buch von Fritz Krenn so: "Auch ein anderer Ton aus einer Klangfolge war im überraschenden Ausmaß unverhofft zu einer Geschichte geworden." Ob die Klangfolge, sprich die Sätze, in dieser gespielten oder gewollten intellektuellen Sachlichkeit tatsächlich eine Geschichte ergeben - diese Frage zu beantworten, fällt angesichts der Erzählung des Teilnehmers des Bachmann-Wettbewerbes 1992 nicht so leicht. Ratlosigkeit stellt sich ein - Ratlosigkeit, die sich nur in beschränktem Ausmaß als Antrieb zum Weiterlesen auswirkt. In Ärger schlägt sie zuletzt um, wenn mühsam Spannung aufgebaut, aber am Schluß der Leser fast wortlos in die Nacht geschickt wird.

Jeder noch so gleichgültige Schluß hat jedoch seinen Anfang: Eine Lebenskrise ist kein Honiglecken und ein Mann, der sein Gedächtnis verliert, hat es schwer, wenn er in einem Krankenhaus liegt und grübelt und die Beziehung zu seiner ehemaligen Freundin Alma, die Begegnung mit einer Unbekannten, die er durch Zufall per Telefon kennengelernt hat sowie die letzten Stunden vor seinem Zusammenbruch Revue passieren läßt. Cramer, so heißt der Patient in dieser Krise, müht sich, und die Leserin und der Leser mit ihm.

Er bleibt uns fremd und mit ihm Figuren wie Selig, Alma und die Krankenschwester. Dies muß wohl so sein, denn möglicherweise fühlt sich der Autor seinem Cramer verpflichtet, der der Krankenschwester diktiert: "Es gilt im weiteren nicht ein Leben aufzuschreiben, eher eine Empfindung im Erzählen zu erkennen. Dabei behutsam bleiben." Beziehung, das ist wohl nicht nur für Cramer Gesprächszeit, intellektualisierte Liebe. Cramer bleiben nur noch Monologe: "Alles Gerede, ein gedankenloses Einerlei. Zuwenig, um davon existieren zu können. Schon gar nicht zu zwei, als ein Paar sozusagen."

Einige Behutsamkeiten sind in diesem Buch geglückt, wenn sie auch nicht sehr deutlich werden, doch der Fluch des ersten Satzes scheint sich immer wieder zu bewahrheiten, wenn sich "Ein-Satz-Informationen" zu Bildern formen, die Notlösungen gleichen. "Was wäre denn oftmals zu hinterfragen im Leben, abgesehen von den täglichen Verrichtungen, wenn nicht der wortlose Grat zwischen den Unmöglichkeiten."

CRAMER Erzählung von Fritz Krenn Deuticke Verlag, Wien 1997 125 Seiten, geb., öS 197,

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