"Erzkonservativer Postavantgardist"

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Am 24. Jänner wäre der Komponist Gottfried von Einem 90 Jahre alt geworden.

Nichts ist schwieriger, als sich für einen erst wenige Jahren verstorbenen Komponisten einzusetzen." Professor Walter Blovsky, langjähriger Bratschist der Wiener Philharmoniker, einige Zeit auch deren Geschäftsführer, zuletzt Manager des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks, weiß, wovon er spricht. Seit Jahren steht er an der Spitze des Vorstands der hochkarätig besetzten Gottfried von Einem Privatstiftung. Die "Verbreitung der Musik des Prof. Gottfried von Einem" ist Zweck der Stiftung, die der Komponist zu seinen Lebzeiten ins Leben gerufen und nach seinen persönlichen Vorstellungen besetzt hat. Einiges hat sie in den letzten Jahren bewirkt: die Gesamteinspielung der Einem-Streichquartette durch das Artis-Quartett, die Vergabe von Stipendien oder die Förderung der Gottfried-von-Einem-Tage Oberdürnbach - jener Ortschaft, in der von Einem die letzten Lebensjahre verbracht hat und wo er am 12. Juli 1996 verstorben ist. Beinahe wäre es auch geglückt, zwei seiner Opern bei den Festspielen in Salzburg und an einem der Wiener Opernhäuser herauszubringen. Immerhin kommt dieser Tage eine neue DVD heraus, mit der Schüler an die Persönlichkeit und das Werk von Einem herangeführt werden sollen. Durchaus zur rechten Zeit, denn am 24. Jänner wäre von Einem 90 Jahre alt geworden.

"Staatskomponist" war nur einer der Titel, die man dem aus Bern gebürtigen Musiker verpasste, der erst in späteren Jahren erfuhr, dass nicht ein österreichischer Diplomat, sondern ein ungarischer Graf sein Vater war, worauf er prompt mit einer Komposition reagierte: "Hunyady Lázsló. Drei Gaben für Orchester". Auch sonst war von Einems Lebensweg überaus bewegt. In Schleswig-Holstein wuchs er auf und machte sein Abitur, kam knapp später als Korrepetitor an die Berliner Staatsoper, wurde Assistent in Bayreuth, schließlich Musikalischer Berater der Dresdner Oper, die bis heute ihr Auftragswerk, die Büchner-Oper "Dantons Tod", nie aufgeführt hat. Dabei hat Einem mit diesem schließlich 1947 bei den Salzburger Festspielen uraufgeführten Werk allen jenen eine Lektion erteilt, die schon damals meinten, die Zeit des Opernschreibens wäre vorbei. Wie die Entwicklung dieses Genres weitergegangen wäre, hätte die Einem-Novität nicht diesen internationalen Erfolg gehabt? Man kann es nur vermuten.

Viel Literatur vertont

Bedeutende Literatur diente Einem bis zuletzt als Inspirationsquelle, wie viele Werke beweisen: seine Kafka-Oper "Der Prozess", die Nestroy-Oper "Der Zerrissene", die Dürrenmatt-Vertonung "Der Besuch der alten Dame", die Schiller-Oper "Kabale und Liebe" oder die Chor-Orchester-Oper "Das Stundenlied" nach Brecht, die Kantate "Die Nachgeborenen" nach Brecht, Hölderlin, Sophokles und Psalmen sowie Lieder nach Texten von Borchert, Lernet- Holenia, Hesse, Busta, Artmann, Mayröcker, zuletzt vor allem von seiner Frau Lotte Ingrisch.

Kompromisslos tonal

In seinen späteren Jahren ist es um den kulturpolitisch einflussreichen Komponisten, der auch ein verdienstvoller Präsident der AKM war und an der Wiener Musikhochschule unterrichtete, stiller geworden. Aber wie im übrigen Leben lehnte er auch in seinem Schaffen Kompromisse ab, blieb zeitlebens der Tonalität treu, mied bewusst alles Modische, charakterisierte sich zuletzt gerne als "erzkonservativer Postavantgardist".

Gerade diese Haltung macht ihn, wie seit Jahren steigende Tantiemen dokumentieren, für die Gegenwart wieder interessant. So wundert es nicht, dass der künftige Musikdirektor der Staatsoper, Franz Welser-Möst, laut über Einem-Opern in der künftigen Direktionszeit nachgedacht hat (siehe Interview Seite 9). Und Welser-Möst ist es auch, der mit den Philharmonikern das Geburtstagskind Gottfried von Einem im Juni mit einer Aufführung seiner effektvollen Philadelphia Symphony ehrt.

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