Es geht um die Wurst

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Das Kulturbudget 2000 steht, doch ohne zusätzliches Geld stehen im Bereich der Hochkultur Einschnitte bevor. Drohen Berliner Verhältnisse?

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Das Kulturbudget 2000 steht, doch ohne zusätzliches Geld stehen im Bereich der Hochkultur Einschnitte bevor. Drohen Berliner Verhältnisse?

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Wir haben die Wurst gerettet und ich bin froh, daß sie nicht der Hund von Ex-Minister Edlinger gefressen hat." Mit diesen launigen Worten kommentierte Kulturstaatsekretär Franz Morak das vorige Woche bekannt gewordene Ergebnis der Budgetverhandlungen: Das Kunstbudget 2000 wird demnach 1,1 Milliarden Schilling betragen, das sind um 50 Millionen weniger als als im Vorjahr. Ein Erfolg, wie Morak betont. Gegenüber der vom ehemaligen Finanzminister Rudolf Edlinger angedrohten 20prozentigen Kürzung des Budgets habe er demnach 15,5 Prozent mehr herausgeholt, rechnete der karenzierte Burgschauspieler vor.

Für so manche Kunstinstitution wird es dennoch zu erheblichen finanziellen Einbußen kommen. "Es gibt ungedeckte Zusagen von 620 Millionen Schilling im institutionellen Bereich der Hochkultur", rügt der ÖVP-Politiker, die von Edlinger und Morak-Vorgänger Peter Wittmann (SPÖ) "in der Art staatsinterventionistischen Mäzenatentums" versprochen worden seien. "Wenn Morak glaubt, daß er die großen Budgetbrocken anders als über Sonderfinanzierungen wird zahlen können, dann zeugt das nur vom Dilettantismus, mit dem er an die Dinge herangeht", ließ Wittmann im Gegenzug wissen. Offenbar wurden in der Vergangenheit die Mittel für große Vorhaben im Kulturbereich von irgendwo anders abgezweigt ("Sondermittel"). Daß es mit diesem anscheinend notwendigen, aber unsauberen Gebaren nun ein Ende hat, könnte sich für geplante Kraftakte wie die Renovierung des Kleinen Festspielhauses in Salzburg oder die Kulturhauptstadt Graz 2003 fatal auswirken. Woher die (nicht rechtlich verbindlich) zugesagten 620 Millionen nehmen?

Das erste Opfer der neuen Budgetsituation ist das Völkerkundemuseum in Wien: Die für heuer geplanten, dringenden Umbauarbeiten mußten abgeblasen werden. Auch im Theater an der Josefstadt ist Feuer am Dach, schon meldete der "Kurier": "Josefstadt vor der Pleite". 180 Millionen Schilling würde eine Konsolidierung des finanziell maroden Theaters ausmachen. Als erste Maßnahme werde die Josefstadt sich vom Rabenhof, ihrer zweiten Spielstätte, trennen müssen, kündigte Wiens Kulturstadtrat Peter Marboe an. Das unlösbare Grundproblem dieses Theaters aber ist das geringe Fassungsvermögen des Zuschauerraumes: Selbst bei einem ausverkauften Abend bleibt unter dem Strich ein Minus Von einem "Todesstoß" spricht auch der Verband Österreichischer Filmproduzenten. Betrug das Budget des Österreichischen Filminstituts in den beiden letzten Jahren 170 Millionen Schilling - inklusive von Sondermitteln in der Höhe von 50 Millionen - so wird es im Jahr 2000 nur noch 110 Millionen Schilling betragen. (Siehe auch Dossier, Seite 13) Der Bereich Kulturwirtschaft - also Film, Architektur, Design - solle nicht über das Kunstbudget sondern "anders" finanziert werden, erklärte Franz Morak bei der Vorstellung der Budgetzahlen. "Wenn Morak meint, daß der Bereich Kulturwirtschaft Film ,anders' finanziert werden sollte, so klingt das sehr verdächtig nach dem typischen österreichischen ,anders', üblicherweise ein Synonym für ,eh wurscht'", kritisierten die Filmproduzenten - in Anspielung auf Edlingers mittlerweile berühmten Hund - in einer Aussendung ("Wer hat den Film gefressen?").

Kein Wunder, daß bei manchen die Nerven blank liegen: Vorige Woche sah der Intendant der Salzburger Festspiele, Gerard Mortier, "kein Licht am Ende des Tunnels", als ihm das Kuratorium mit einer Subventionskürzung um sieben Prozent konfrontierte - ein Rechenfehler, wie Finanzchef Hans Landesmann zwei Tage später zugab. Fix sind nur zwei Zahlen: Die Stadt Salzburg kürzt ihre Zuwendungen um zwei Prozent und heuer sowie 2001 müssen 28 Millionen Schilling an Altlasten abgebaut werden.

Ob die Methode von Peter Oswald die Nerven mehr schont, ist fraglich: Der Intendant des Steirischen Herbstes hat sich vorgenommen, den Ausfall von 2,8 Millionen Schilling einfach zu ignorieren; wegen der FPÖ-Regierungsbeteiligung war ein Sponsor abgesprungen. "Dieses Geld fehlt uns. Dafür übernehme ich die Verantwortung" bekennt Oswald und hofft, daß schon irgendwer in die Bresche springt.

Daß schon ein stagnierendes Kulturbudget wegen der alljährlich gnadenlos steigenden Personalkosten im öffentlichen Bereich katastrophale Auswirkungen hat, davon kann Dietmar Pflegerl ein Lied singen. Der Intendant des Klagenfurter Stadttheaters war mit Plänen zur Einfrierung seines Budgets konfrontiert ("Deckelung" wird das euphemistisch genannt): "Die Deckelung bedeutet den Tod auf Raten. Bei den steigenden Fixkosten müßte ich pro Jahr auf zwei Produktionen verzichten. Bei derzeit zwölf Produktionen im Jahr kann man sich ausrechnen, wann es überhaupt keine mehr geben wird." In Klagenfurt ist das Einfrieren des Budgets zum Glück vom Tisch, in Deutschland hat dieser Trend im letzten Jahrzehnt etwa 30 Theater die Existenz gekostet.

Vielleicht stehen Österreichs Kul-turlandschaft in den nächsten Jahren Berliner Verhältnisse bevor, wo es zur Zeit wirklich um die Wurst geht: Den drei Berliner Opernhäusern drohen Etatsperren. "Das würde faktisch auf eine Schließung der Opern hinauslaufen", bekennt Kultursenatorin Christa Thoben (CDU), die mit diesen Plänen nicht einverstanden ist. Der Intendant der Berliner Staatsoper Unter den Linden, Georg Quander, forderte den Senat auf, sich zwischen einer Erhöhung der Zuschüsse oder der Schließung des Hauses zu entscheiden. Die Sprechtheater sind gar mit Kürzungen konfrontiert: Claus Peymann, Leiter des Berliner Ensemble und Frank Castorf, Chef der Volksbühne haben schon damit gedroht Berlin zu verlassen. Jürgen Schitt-helm, Direktor der Schaubühne, erklärte, er hätte das Haus voriges Jahr aufgelöst, wenn er damals von den Kürzungen gewußt hätte.

Der - zugegebenermaßen nicht immer einfache - Umgang der Politiker mit den Künstlern hat in Berlin einen schon lange nicht mehr dagewesenen Tiefstand erreicht: Dem weltberühmten Dirigenten Daniel Barenboim, künstlerischer Leiter der Staatsoper Unter den Linden, wurde vom SPD-Clubchef im Berliner Abgeordnetenhaus kaltschnäuzig beschieden: "Es ist keiner gezwungen, in Berlin zu arbeiten." Ein parlamentarisches Tribunal ließ Peymann, der kein Defizit an seinem Haus hat, ganze vier Stunden warten, bevor er wie alle anderen Intendanten ins Kreuzverhör genommen und "beschimpft" (Thoben) wurde. Zur vielsagendsten Verteidigung fühlte sich Albert Kost von der Komischen Oper veranlaßt: "Wir sind doch keine Verbrecher!"

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