Es geht ums Überleben

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Der chronisch krisengeschüttelte österreichische Film bräuchte mehr Geld und neue Ideen.

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Der chronisch krisengeschüttelte österreichische Film bräuchte mehr Geld und neue Ideen.

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Bewaffnet mit der Bohrmaschine widmet sich Kabarettist Roland Düringer derzeit des Österreichers liebstem Hobby - dem Häuslbauen. Im Kino ist "Hinterholz 8" ein triumphaler Erfolg: bis dato lockte Düringers Schmäh über 560.000 Österreicher in die Kinos. Damit ist "Hinterholz 8" bereits jetzt der erfolgreichste österreichische Film aller Zeiten - und steht einsam an der Spitze. Weit abgeschlagen liegen die österreichischen Kassenschlager der letzten Jahre. "Indien" (1992, 230.000 Besucher) und "Freispiel" (1995, 173.000) galten seinerzeit als richtungsweisend für die Zukunft des heimischen Films. Daß man mit Kabarett derzeit wohl am besten fährt, zeigen auch folgende verunglückte Streifen: Xaver Schwarzenbergers "Das Siegel" wollten nur 2.400 Kinogänger sehen, in "Beastie Girl" von Johannes Fabrick verirrten sich gar nur an die 200 Österreicher.

"Hinterholz 8" ist eine willkommene Ausnahme. Der Alltag im hiesigen Filmgeschäft sieht nämlich gar nicht rosig aus: Zuwenig Geld aus der Filmförderung sorgt für einen geringen Produktionsausstoß an Spielfilmen und dadurch für die größte Arbeitslosigkeit in der Geschichte des österreichischen Films. Roland Düringer brachte das Problem in der ORF-Sendung "Treffpunkt Kultur" auf den Punkt: "Es gibt in Österreich ja keine richtige Filmindustrie. Wenn wir einen Film machen, ist das so, als wenn die Holländer Schi springen. Wenn ich mir einen österreichischen Krimi anschau', und da fahren viele Autos spazieren, und dann seh ich einen Opel Rekord aus dem 72er Jahr, weiß ich schon am Anfang vom Film: den Wagen werden's z'sammhauen, weil an anderen können sie sich net leisten."

Salz in eine ähnliche Wunde streut auch Wolfgang Glück, österreichischer Filmemacher ("Der Schüler Gerber") und Direktor an Wiens Filmakademie: "Wir könnten in Österreich bessere Filme machen, wenn mehr Geld zur Verfügung stünde. Dann bekommen wir mehr Phantasie, mehr Vielfalt in unsere Kinos." Wichtig ist ihm auch die Stoffwahl: "Man soll als Filmemacher nicht einzig an die hohe Kunst denken und sagen ,Mir ist egal, wer sich das anschaut, Hauptsache, ich mache Kunst! Das kann nicht funktionieren. Film ohne Publikum ist nicht Film."

Ohne die staatlichen Filmförderung gäbe es wahrscheinlich gar keinen österreichischen Film. Nur die Vergaberichtlinien sind nicht jedem ganz klar: "Da kommen wir, a paar junge Buben, und machen Filme, die plötzlich von vielen Leuten im Kino gesehen werden. Viele Filme werden aber gefördert, egal ob sie Erfolg haben oder nicht. Und ich glaub', daß jetzt einige Leute Angst haben, daß sie in Zukunft keine Filme mehr machen können", meint Roland Düringer. "Außerdem sitzen auch Leute, die selber Filme machen, in der Kommission (des Filminstitutes, Anm. d. Red.), was schon a bisserl seltsam ist", fügt er hinzu.

Das Budget des Österreichischen Filminstitutes (ÖFI) und des Wiener Filmfinanzierungsfonds (WFF) betrug 1997 magere 173 Millionen Schilling. Weitere 60 Millionen kamen aus dem Topf des Film-Fernsehabkommens des ORF. In einem Schreiben wandte sich die Kommission des ÖFI ob der tristen Lage hilfesuchend an den Bundeskanzler. Darin heißt es: "Die Anzahl und Qualität der eingereichten Vorhaben sprengt deutlich den Rahmen der budgetären Möglichkeiten. Die derzeit katastrophale Auftrags- und Beschäftigungssituation der österreichischen Filmwirtschaft bricht ungebremst auf den Förderungsbereich herein, während in europäischen Partnerländern fast eine gegenläufige Aufbruchstimmung zu verzeichnen ist." Das ÖFI sieht in der Aufstockung der Fördermittel eine "unumgängliche Notmaßnahme".

Kultur-Staatssekretär Peter Wittmann reagierte darauf vor kurzem mit einer "Finanzspritze" für die Filmförderung von 100 Millionen Schilling für das Jahr 1998/99. Die Geldspritze soll, wenn es nach Wittmann geht, auch einen Beschäftigungserfolg haben.

Nicht nur finanziell benötigt die Branche neue Perspektiven. Inhaltlich läßt sich das Dilemma des österreichischen Films an zwei Umständen dingfest machen: Einerseits will man künstlerisch höchst anspruchsvolle Filme drehen, andererseits wird die leichte Muse immer wieder strapaziert. Florian Flicker ("Suzie Washington") - als Filmemacher der nicht Absolvent der Filmakademie ist - eine Ausnahmeerscheinung in der Branche, will die Qualität heimischer Produktionen zwar nicht in Frage stellen, merkt aber an: "Es fehlt das Bewußtsein für den heimischen Film. Diese Sensibilität muß erst geschaffen werden."

"Man muß zwischen Kommerzfilm, wie wir ihn machen, und Kunstfilm trennen", ist sich Roland Düringer sicher. "Der Kunstfilm hat auch seine Berechtigung, und verdient öffentliche Gelder, das ist ganz klar." Düringer-Kollege Alfred Dorfer: "Es wird dann gesagt: Wenn die erfolgreiche Filme machen, dann brauchen's auch keine öffentlichen Gelder. Als ob sich ein österreichischer Film am heimischen Markt selbst erhalten könnte ..."

"Hinterholz 8" beweist zumindest, daß ein heimischer Film sehr wohl viele Menschen ins Kino locken kann. Für die Filmwirtschaft ist ein einziger Erfolgsfilm freilich zu wenig. Es gilt, Stoffe zu finden, die das finanzielle Überleben der Branche sichern können, denn auch 300 Millionen an Fördergeldern sind im Filmgeschäft bloß ein Tropfen auf den heißen Stein. So herrscht zumindest im Hinterholz Freude über den Erfolg. Der hohen Kunst ist damit nicht gedient, wohl aber denen, die sich im Kino halb totlachen. Was gibt es Schöneres?

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