Es gibt einen Gott – oder auch nicht?

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Nach dem Trend zur Religion kommt jetzt der Atheismus immer mehr in Mode. Öffentlichkeitswirksam und provokant wird über die Existenz Gottes und den Einfluss der Religion auf das öffentliche Leben diskutiert. Ein Beitrag zur Debatte: Herwig Bücheles Buch „Gott finden“.

Reden wir einmal nicht von Pflichtzölibat, Priesterinnen und diözesan mitbestimmten Bischöfen! Reden wir von Gott! Das hat schon Johann Baptist Metz vor Jahren vorgeschlagen (was Rom sehr gefiel, weil damit endlich lästige „Strukturfragen“ weggeschoben schienen), jetzt redet Herwig Büchele davon, der emeritierte Professor für christliche Gesellschaftslehre – da sollten auch jene hinhören, die von diesem zeitgestählten Kapitalismuskritiker nichts Neues mehr erwartet haben.

In seinem 124-Seiten-Büchlein steckt ein Wissensberg in PDF-Format. Er schildert die Annäherungen an den Gottesbegriff bei Aldous Huxley, Feuerbach, Marx, Nietzsche und Freud, bei Dostojewskij (Großinquisitor!), Sartre, Heidegger und Camus: ein Slalom durch die Geistesgeschichte Europas, nach dem man sich beutelt und die zweite und dritte der drei Elementarfragen Kants auspackt: Was soll ich tun? Was kann ich hoffen?

Die Freiheit ernst nehmen

Einmal dies: von Naturwissenschaftern keinen Gottesbeweis verlangen, ihnen aber auch keinen angeblichen Nichtbeweis Gottes abnehmen! (Dawkins, ade!) Sich Wissenschaft und Technik nicht als wertneutral anhängen lassen, sondern erkennen, dass sie Gutes besser und Schlimmes schlimmer machen können. Die Freiheit, in die Gott die Menschen entlassen hat, ernst nehmen – damit hat Gott seiner eigenen Allmacht eine Grenze gesetzt!

Und die Hoffnung: „Flucht vor der Last des Lebens“ als „die menschliche Sünde schlechthin“ entdecken (Camus, S. 81). Die Schöpfung in all ihrer Gesetzmäßigkeit als Wunder erkennen – und nicht die Durchbrechung ihrer Gesetze in Einzelfällen! Gott nicht unter Bedingungen suchen („Ich glaube an ihn, wenn …“), weil er sich dann nicht zeigt! Extreme Alternativen als Versuchung zum Fundamentalismus durchschauen (Freiheit ohne Brot oder Brot ohne Freiheit) – „echte Heilige“ erkennt man an der „Bescheidung auf das Relative“ (wieder Camus)!

Theodizee – eine offene Frage

Der am schwersten verdauliche Brocken in diesem Buch ist – wie könnte es anders sein? – die Theodizee-Frage: Wie kann ein guter Gott das Übel zulassen und auch Schuldlose damit belasten? „Leiden ist keine Strafe Gottes, sondern Folge der Freiheit des Menschen“ (S. 84 ff.) Auch wenn’s ein Erdbeben oder ein Tsunami ist? „Solange keiner unter dem Bösen leidet, ändert sich nichts“ (S. 97). „Im Grunde sind Katastrophen Gnadenzeichen, denn in ihnen wird aufgedeckt, was wir ‚treiben‘“ (S. 93). An solchen Sätzen hat auch Bischof Helmut Krätzl gekiefelt, als das Buch vorgestellt wurde. Aber eine wirklich allgemein nachvollziehbare Antwort auf die Theodizee-Frage haben auch Theologie-Genies noch nicht gefunden.

Gott finden

Christliche Positionen versus atheistische Lebensentwürfe.

Von Herwig Büchele Verlag Friedrich Pustet, 2009

132 S., kart., E 9,80

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