Es gibt keine Alternative zum Dialog

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Leonard Swidler, katholisches "Urgestein“ des interreligiösen Gesprächs, über den Dialog, das "König Abdullah-Zentrum“ und das Friedenstreffen in Assisi.

Leonard Swidler, 82, Professor an der Temple University in Philadelphia, gehört zu den führenden katholischen Experten für interreligiösen Dialog. Anfang der 70er Jahre lehrte er auch in Tübingen und war dort Kollege von Hans Küng - und Joseph Ratzinger. Am 17. Oktober hielt Swid- ler den Festvortrag beim Dies facultatis der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien.

Die Furche: Warum ist der Dialog zwischen Religionen so wichtig?

Leonard Swidler: Ein Dialog zwischen den Religionen und Kulturen war immer nötig. Heute sind wir uns darüber mehr bewusst. Das ist sehr positiv und ermutigend. Ich habe mit dem Dialog schon vor fast 60 Jahren begonnen. Damals war es ein Dialog zwischen Katholiken und Evangelischen. Bald darauf fand das II. Vatikanum statt, das eine wunderbare Öffnung für den Dialog brachte. Vorher hat Rom gesagt: Katholiken dürfen mit Nichtkatholiken nicht über Religiöses reden. Man musste sogar eine schriftliche Erlaubnis haben, um in Dialog treten zu können.

Die Furche: Und das Konzil erlaubte den Dialog dann …

Swidler: ... und es befahl ihn geradezu! Es hieß: Wir Katholiken müssen mit Nichtkatholiken in einen Dialog treten, ja wir sollten sogar die ersten Schritte dazu tun. Das bedeutete eine Kehrtwende um 180 Grad. Aber zunächst gab es nur begrenzte Gesprächspartner. Vor allem für Muslime war ein Dialog ausgeschlossen. Meine Frau und ich gründeten 1964 das Journal of Ecumenical Studies. Anfangs waren wir da nur Chris- ten, aber schon nach einem Jahr konnten wir einen jüdischen Mitherausgeber gewinnen und ab 1968 auch einen Muslimen. Bis etwa 1989 blieb der Dialog allerdings vor allem auf die akademische Ebene beschränkt. Danach explodierte er richtiggehend. Die Furche: Aber dann kam 9/11 …

Swidler: Zunächst saß da der Schock tief. Doch seit etwa sechs Jahren beteiligt sich auch der Islam am Dialog. Wir stehen immer noch am Anfang, aber 9/11 markiert eine große Wende. Zuvor war man auf muslimischer Seite zu 110 Prozent gegen den Dialog, aber jetzt sagt man, ja, wir müssen in den Dialog eintreten.

Die Furche: In Wien gibt es zurzeit eine Auseinandersetzung um ein interreligiöses Dialog-Institut, das den Namen des saudischen Königs Abdullah trägt und auch von den Saudis finanziert wird. Kann man mit dem wahabitischen Islam wirklich in einen Dialog treten?

Swidler: Das ist eine interessante Diskussion. Eine Redensart bei uns lautet: Man schließt nicht Frieden mit seinen Freunden, sondern mit seinen Feinden. Natürlich müssen wir miteinander ins Gespräch kommen! Vor der Wende sind wir im Westen ja auch ins Gespräch mit der Sowjetunion eingetreten! Natürlich dürfen wir nicht blind gegenüber den Verhältnissen in Saudi-Arabien sein, aber auch wir im Westen sind nicht nur Engel. In der saudischen Hauptstadt Riad gibt es etwa die Imam-Universität mit mehr als 50.000 Studierenden. Dort befindet sich auch das "Institut für das Studium des zeitgenössischen Islam und des Dialogs der Kulturen“. Der Name des Instituts spricht für sich: Wenn man ein heutiger Muslim sein will, muss man mit den Kulturen ins Gespräch treten. Vor zwei Jahren wurde es in "König Abdullah-Institut“ umbenannt. Das heißt, der König selbst steht dahinter. Meine Universität in Philadelphia hat 14 Professoren an dieses Institut geschickt, um für den interreligiösen Dialog auszubilden. Und demnächst werden 25 Professorinnen der neuen Prinzessin-Nora-Universität in Riad, wo 65.000 Studentinnen studieren, zur Weiterbildung zu uns nach Philadelphia kommen.

Die Furche: Am 27. Oktober wird Papst Benedikt XVI. die Tradition seines Vorgängers fortsetzen und sich mit Religionsführern in Assisi zu einem Friedensgebet treffen. Was kann man sich da erwarten?

Swidler: Es ist ein positiver Schritt. Allzu konkrete Ergebnisse erwarte ich mir allerdings nicht. Joseph Ratzinger und ich sind in den 70er Jahren in Tübingen ja Kollegen gewesen. Damals war er aufgeschlossener als heute. Neue Schritte sind von daher nicht zu erwarten. Ich hoffe nur, dass es nicht schlechter wird.

Die Furche: Zurzeit verhandelt Rom mit den Lefebvrianern, die ja den interreligiösen Dialog strikt ablehnen und sogar dafür beten, dass die Begegnung in Assisi ein Misserfolg wird. Kommt Rom den Traditionalisten zu weit entgegen?

Swidler: Der Papst achtet sehr darauf, was auf der rechten Seite passiert. Die linke Seite interessiert ihn dagegen leider nicht besonders. Aber in der katholischen Kirche geschieht viel Gutes auf der Ebene der Priester, Schwestern und Laien - auch im interreli- giösen Dialog. Das muss weitergehen. Ich hoffe, dass wir eines Tages wieder eine Kirchenleitung im Geist des II. Vatikanums haben werden. Vielleicht noch nicht morgen. Aber doch übermorgen.

* Das Gespräch führte Otto Friedrich |

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