Ein berühmter muslimischer Rechtsgelehrter aus dem 12. Jahrhundert, bekannt als Al-Qadi Iyad (gest. 1149 in Marrakesch), schreibt in seinem berühmten Werk "Aschifa", dass die Beleidigung des Propheten oder aber die Schmähung durch einen Nicht-Muslim mit der Todesstrafe zu sanktionieren sei. Er unterstreicht, dass dies, bis auf ganz wenige Ausnahmen, die Meinung der Mehrheit der muslimischen Gelehrten sei. Nein! Ich führe dieses Beispiel aus der islamischen Tradition nicht an, um vermitteln zu wollen, der Islam würde heute Gewalt und Terror legitimieren, sondern um exemplarisch zu zeigen, dass sich die Extremisten auf Positionen berufen, die sehr wohl innerhalb der islamischen Tradition existieren. Daher können wir nicht einfach sagen, die Ansichten der muslimischen Fundamentalisten und Extremisten hätten nichts mit dem Islam zu tun. Keine Frage, die absolute Mehrheit der Muslime distanziert sich von Gewalt und Terror im Namen ihrer Religion. Wenn Muslime aber die Argumente der Extremisten ignorieren und so tun, als würde es sie gar nicht in der islamischen Tradition geben, überlassen sie die Deutungshoheit über ihre Religion den Extremisten und den Islamkritikern. So löst man keine Probleme, im Gegenteil, man verliert an Seriosität und Authentizität, und die Probleme wachsen weiter.
Die islamische Theologie muss heute einsehen, dass einige traditionelle Positionen nicht mehr vertretbar sind, und diese einfach verwerfen. Muslime sollten ihre Tradition ernst nehmen. Ich will nur dazu ermutigen, diese nicht unhinterfragt hinzunehmen, sondern kritisch zu überprüfen. Die Frage müsste also lauten: Was würden die Gelehrten des 9. Jahrhunderts heute an Lehrmeinungen entwickeln, würden sie in unserem heutigen Kontext leben? Sie würden sicher viele ihrer eigenen Positionen verwerfen.
Der Autor leitet das Zentrum für Islamische Theologie an der Uni Münster
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