„Es kommen 18 Monate der Bewährung“

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Hans Georg Kantner ist Leiter der Insolvenz-Abteilung des Kreditschutzverbandes von 1870. Nach Angaben des KSV werden die Pleiten 2009 um 15 Prozent steigen, die Zahl der Arbeitslosen um 45 Prozent.

Die Furche: Anlässlich eines Symposions sagte unlängst einer der führenden Börsianer des Landes, es drohe ein große Insolvenzwelle Ende des Jahres. Ist das so?

Hans Georg Kantner: Ich wäre ein Hellseher, würde ich behaupten, dass die Bodenbildung der Krise schon da ist. Unsere Informationen diesbezüglich sind unzureichend. Ich warne davor, einen Aufwärtstrend an der Börse mit einem der Gesamtwirtschaft zu verwechseln.

Die Furche: Irrig also anzunehmen, die Börse könne die Realwirtschaft nach oben ziehen …

Kantner: Richtig. Der Börsenkurs widerspiegelt eigentlich nur das Verhältnis von Käufern zu Verkäufern. Die Realwirtschaft hat langfristige Entscheidungen zu fällen, deren Kosten durch Investitionen gedeckt werden müssen. Es geht um eine Erwartungshaltung der Unternehmer an die Zukunft.

Die Furche: Derzeit ist diese Erwartungshaltung sehr gedämpft. Wie wirkt sich das im Herbst aus?

Kantner: Die Sommermonate sind erfahrungsgemäß schwächer, dafür ziehen die Insolvenzen im Herbst deutlich an. Das hat mit saisonalen Schwankungen zu tun. Insofern gebe ich dem von Ihnen zitierten Experten recht. Es könnte im Oktober und November zu einem weiteren Anspringen der Pleiten kommen. Generell schätze ich, dass die nächsten zwölf bis 18 Monate eine Bewährungsprobe für die österreichischen Unternehmen sein werden.

Die Furche: Der Optimismus der Konsumenten scheint dennoch ungebrochen. Wie lange wird sich das noch halten?

Kantner: Psychologische Faktoren sind auch hier ausschlaggebend. Die Produkte sind derzeit billiger als noch vor einem Jahr. Außerdem bewegen sich die Arbeitslosenzahlen noch in einem überschaubaren Rahmen. Je mehr aber die Menschen direkt oder indirekt von Arbeitslosigkeit betroffen sind, desto mehr wird der Drang zum Sparen die Überhand gewinnen.

Die Furche: Demnach darf der Finanzminister nur ja nicht die Mehrwertssteuern erhöhen und damit den Optimismus bremsen. Wie soll die Republik aber ihre Schulden bezahlen?

Kantner: Das gehört zu den vielen nicht beantworteten Fragen. Denn im Grunde entstand die Krise durch eine Kreditblase, also zu viel Geld. Das durch zu viel Geld verursachte Problem wird nun mit noch mehr Geld bekämpft. Ungelöst ist die Frage: Wie bekomme ich das Geld wieder aus dem Markt?

Die Furche: Die USA scheitern an dieser Frage konsequent seit den neunziger Jahren …

Kantner: Dazu kommt, dass die Amerikaner eigentlich über kein Sparvermögen verfügen. Das ist schon ein Vorteil der Europäer und auch der Österreicher. Weil es Rücklagen gibt, gibt es auch Konsum und Investitionen. Generell fehlen aber neue Regeln, die eine neue Vernunft befördern.

Das Gespräch führte Oliver Tanzer

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