Es lebe der Unterschied!

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Wir leben in einem demokratischen Parteienstaat. Staatliches Handeln liegt dabei wesentlich bei politischen Interessensgruppen, über deren Stärkeverhältnisse wir Bürger in Wahlen entscheiden. Besseres ist bisher nicht erdacht worden. Denn es bündelt - jedenfalls in der Theorie - die Interessen, fördert den Wettbewerb um die besseren Ideen, erleichtert Entscheidungen, erlaubt das Wechselspiel von Regierung und Opposition usw.

Aber auch die Schwächen des Systems sind offenkundig -vor allem dort, wo Politik und Medien "eklatant bis unanständig" (Helmut Brandstätter) versuchen, das Spielfeld des jeweils anderen mitzubesetzen. Das führt zur Polarisierung des politischen Tons, permanenter Überinszenierung der Parteien und macht gemeinsame Lösungen schwer bis unmöglich. Österreich ist geradezu ein Modell dafür: Kopfschüttelnd erleben Bürger seit nahezu immer, wie Mandatare schlecht übereinander reden. Das hat erst im Vorjahr einer Koalition den Todesstoß versetzt.

Der Ton in der Koalition wird rauer

Sebastian Kurz wollte, zum Kanzler einer türkis-blauen Koalition gekürt, es anders machen. Viel Gewicht liegt seither auf dem Versuch, jeden Eindruck von Streit zu vermeiden. Dies auch deshalb, weil mit der FPÖ nun ein traditionelles "Schmuddelkind" die Regierungsmehrheit absichert -mit politischen Haltungen, die nur begrenzt mehrheitsfähig sind. Demonstrative Harmonie und permanente Informationskontrolle über die Regierungsarbeit scheinen also wichtiger denn je.

Aber gerade die jüngsten Meldungen zeigen, dass in der Koalition der Ton rauer wird. Anlässe dafür gibt es genug: die Verfassungsschutz-Affäre und die Verantwortung dafür etwa; das VPinterne Murren über die Abschiebung von Flüchtlingen, die in Lehre stehen; die Einladung Putins durch die Außenministerin Bis hin zur Perspektive der Europawahl 2019, bei der ÖVP und FPÖ mit Othmar Karas und Harald Vilimsky ausgerechnet die schärfsten politischen Kontrahenten ins Rennen schicken.

Bei aller Sehnsucht nach Harmonie - ich halte diese Entwicklung für gut. Koalitionen sind demokratiepolitisch notwendige Zweckehen, um Mehrheiten und damit die Arbeitsfähigkeit abzusichern. Aber es sind und bleiben unterschiedliche Parteien. Und es kann nicht Sinn solcher Bündnisse auf Zeit sein, ihre Unterschiede verblassen zu lassen. Gerade für die türkise Truppe ist es hoch an der Zeit, ihre Konturen wieder zu schärfen, will sie nicht weiter in die Nähe des Rechtspopulismus geraten und damit einen Teil ihrer Kernwähler verunsichern.

Was bei uns fehlt, das ist eine Gesprächskultur, die es erlaubt, unterschiedliche Haltungen und schwierige Kompromisse erkennen zu lassen, ohne die Gesprächsfähigkeit und den Willen zur Kooperation zu gefährden.

Medien könnten dabei helfen, indem sie nicht jedes mühsame Ringen um Ausgleich als Streit, Konflikt und Zerwürfnis diskreditieren.

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