Es wird alles zerredet!

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In der aktuellen Kirchendebatte spielt ein Gebiet keine Rolle, bei dem höchster Nachdenk- und Reformbedarf besteht. Das ist die Liturgie. Charakteristischerweise kommt dieses Thema im Katalog der harten Forderungen und frommen Wünsche des Kirchenvolksbegehrens überhaupt nicht vor.

Die Liturgie - vor allem die des Sonntagsgottesdienstes - ist vielerorts arm geworden. Die Formenwelt und die Ausdrucksweisen der katholischen Gottesdienste sind in Musik, Sprache und Zeichen unendlich weit entfernt vom heutigen Kulturerleben. Angesichts gewaltiger säkulärer Liturgien, vom Popkonzert bis zum Autorennen, ringen die Versuche "moderner" Musik mit "aktuellen" Texten in der Kirche den meisten Jugendlichen nicht einmal ein müdes Lächeln ab.

Dabei soll man sich nicht täuschen: Denselben Jugendlichen kann es bei einer Papstmesse unter freiem Himmel nicht zu heiß sein, eine Osternacht, die zweieinhalb Stunden dauert, finden sie samt eingeschlossener Allerheiligenlitanei keineswegs zu lang.

Unter dem Vorwand der Modernisierung und Entrümpelung ist eine unsinnliche Kultlosigkeit in die Kirche eingezogen. Das können auch die immer teurer werdenden, von einer Ecke des Altars herunterhängenden Blumengebinde im Geschmack eines Möbelcenters nicht verbergen.

Der Ärmlichkeit des Sinnlich-Symbolischen entspricht ein Übergewicht des Wortes. Mit der allgemeinen Redseligkeit geht eine Entleerung der Sprache einher.

Wenn das Ästhetische so schwach ist, muß zwangsläufig das Ethische und Belehrende ein Übergewicht bekommen. Folglich sind viele Gottesdienste zu protestantischen Sonntagsschulen geworden. Rilke könnte unsere heutige Liturgie gemeint haben, als er ausrief: Zeichen her, es wird alles zerredet!

Es soll, wohlgemerkt, die Liturgiereform des Konzils nicht revidiert, sondern - im Gegenteil - energisch weitergetrieben werden. Eine neue Sprache, eine neue Ausdruckskraft kann nur aus der Besinnung auf dasWesentliche und zugleich aus einer Begegnung mit heutiger Kunst und Kultur erwachsen.

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