Ethisch sein lohnt sich

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Neben harten Fakten bewegt auch die Psychologie die Aktienkurse.

Angenommen Sie haben Geld angespart und wollen es in Wertpapieren anlegen: Wie würden Sie sich für die eine oder andere der an den verschiedenen Börsen angebotenen Aktien entscheiden? Sie wollen bestmöglich investieren und würden vermutlich zuerst alle verfügbaren Informationen über jene Unternehmen einholen, deren Anteile am Aktienmarkt gehandelt werden. Sie könnten auch einen Anlagenberater dazu beauftragen. Anhand der Unternehmenskennzahlen, der Renditen der vergangenen Jahre, der Kursentwicklung der betroffenen Aktien und anderer wichtiger Informationen lässt sich abschätzen, ob ein Gewinn oder Verlust zu erwarten ist. Alternativ könnten Sie auch auf höhere Gewinne spekulieren, indem Sie Informationen von Nachrichtenagenturen dazu verwenden, um zukünftige Entwicklungen von Unternehmen in einer sich ständig ändernden Umwelt vorherzusehen. Zum Beispiel könnten politische Debatten über die Abschaffung des staatlichen Glücksspielmonopols Sie dazu bewegen, Anteile einschlägiger Unternehmen zu kaufen, denen die Öffnung dieses Marktes zugute kommt. Ein solches Handeln wäre zwar riskant, aber rational.

Klüger und besser sein

Doch selbst wenn - theoretisch - allen Markteilnehmern dieselben Informationen zur Verfügung stehen, ergeben sich aus unterschiedlichen Interpretationen der verfügbaren Daten auch unterschiedliche Handlungen. Da jeder Anleger der Meinung ist, er wäre klüger und besser als der Durchschnitt der Anleger - ein Phänomen, das in der englischsprachigen Literatur Overconfidence genannt wird - müssen sich zwangsweise einige irren und daher unvernünftig handeln.

Noch irrationaler - und hier kommt die Psychologie deutlich ins Spiel - wäre es, wenn eine Investitionsentscheidung auf Informationen beruht, die mit dem wirtschaftlichen Erfolg des anteilsmäßig erworbenen Unternehmens gar nicht zusammenhängen. Tatsächlich sind Schwankungen der Aktienkurse zu beobachten, wenn Zeitungen von Flugzeugkatastrophen, Mordfällen oder persönlichen Meinungen politischer Repräsentanten berichten. Solche Meldungen aus der Tagespresse werden von den Anlegern interpretiert und zu Erwartungen über zukünftige Entwicklungen umgemünzt, oder lösen Emotionen aus, die zu unüberlegten Handlungen führen können. In Zeiten stabiler Konjunktur scheinen aufregende, aber mit den Leistungen der Unternehmen nicht zusammenhängende Tagesereignisse eine kleinere Rolle zu spielen, als wenn Instabilität und Unsicherheit die Finanzmärkte dominieren, meinen die Finanzmarktforscher Schachter, Hood, Andreassen und Gerin (1986).

Kennzahlen reichen nicht

Durchaus vernünftig, aber nicht rational im ökonomischen Sinne ist, dass Investoren neben den wirtschaftlichen Kennzahlen auch eine ethische Bewertung von Unternehmen in die Investitionsentscheidungen einfließen lassen. In einer Reihe experimenteller Studien an der psychologischen Fakultät der Universität Wien, konnte gezeigt werden, dass Aktien von Unternehmen, die zum Beispiel Kinderarbeit in ihrer Produktion dulden, niedrigere Preise erzielen als Anteile von Firmen, die sich ethisch verhalten.

Neben objektiver Information haben sogar Gerüchte das Potenzial, die Aktienkurse zu beeinflussen. Am Finanzmarkt treffen Gerüchte auf fruchtbaren Boden, da sich die Markteilnehmer in ständigem Zweifel und Ambivalenz befinden und scheinbar jede Information willkommen ist, die zumindest vorübergehend Orientierung bietet. Bedenkt man, dass es auch relativ häufig vorkommt, dass Nachrichtenagenturen Gerüchte verbreiten - die klassische Zeitungsente -, stellt sich die Frage welche der Informationen, mit denen Investoren ihr Handeln begründen, überhaupt als objektiv bezeichnet werden können .

Wäre es daher vielleicht klüger, die Investitionsentscheidungen den Experten - den Fondsmanagern, Anlagenberatern und Börsenmaklern - zu überlassen? Für diese sollte doch weit mehr Information verfügbar sein als für einen Laien, und als Experten sollten sie doch auch in der Lage sein die "harten Fakten" richtig zu interpretieren. Ein Feldexperiment am Aktienmarkt beweist, dass es manchmal auch besser sein kann, weniger zu wissen als andere. Laien aus Deutschland und den USA wurden von der Berliner Forschergruppe um Gerd Gigerenzer auf der Straße gefragt, welche von insgesamt 798 an der Börse gehandelten Unternehmen ihnen bekannt sind. Anschließend wurden aus jenen Unternehmen, die von mindestens 90 Prozent der Laien erkannt wurden, ein Aktienfonds erstellt und die Entwicklung dieses Fonds über einen Zeitraum von sechs Monaten beobachtet. Überraschenderweise erzielte der aus dem Laienwissen erstellte Aktienfond höhere Erträge als beispielsweise Marktindikatoren wie der Leitindex DAX, von Experten erstellten Portfolios oder von Banken gemanagte Fonds .

Ausständig ist noch eine erschöpfende Erklärung, warum auf Finanzmärkten häufig so genannte Kalendereffekte auftreten. Zum Beispiel wurde beobachtet, dass die realisierten Gewinne im Jänner weit höher sind als in den restlichen Monaten. Zum Teil kann dieser Effekt durch steuerliche Vorteile erklärt werden, die entstehen, wenn am Jahresende verlusttragende Aktien realisiert werden. Durch die Anhäufung solcher Verkäufe sinkt der Aktienpreis und steigt dann am Jahresbeginn wieder sprunghaft an. Äquivalent treten auch Wochenend-Effekte häufig auf. Am Ende der Woche liegen die Aktienpreise bei Börsenschluss überzufällig häufig höher als am darauf folgenden Montag. Eine der Vermutungen, die Richard Thaler (1992) über die Ursachen dieses Effekts anstellt, bezieht sich auf die unterschiedliche Stimmung der Investoren vor und nach einem Wochenende. Montage sind dafür bekannt, dass allgemein schlechtere Stimmung herrscht. Zum Beispiel treten Selbstmorde häufiger an Montagen auf als an jedem anderen Tag.

Normale Anomalien

In der wirtschaftspsychologischen Forschung und der relativ jungen Disziplin der Verhaltensökonomie wurden noch eine Reihe weiterer Phänomene beobachtet, die den klassischen ökonomischen Theorien beziehungsweise der Annahme, dass (erfolgreiche) Investoren rational handeln, widersprechen. Es scheint so, als ob die Preise von Aktien anstelle eines objektiven Gegenwerts vielmehr die aggregierte Meinung, Launen und Stimmungen und Erwartungen der Investoren ausdrücken. Dass Abweichungen von Rationalität, so genannte Anomalien, in wirtschaftlichen Entscheidungen ganz "normal" sind, ist in der Wirtschaftspsychologie ein längst gelüftetes Geheimnis.

Die Autoren sind Vorstand und Mitarbeiter des Instituts für Wirtschaftspsychologie der Uni Wien.

Literatur zum Thema:

Simple Heuristics That Make Us Smart

Von Gerd Gigerenzer, Peter M. Todd Oxford University Press, Oxford 1999 432 Seiten, geb., € 94,-

Wirtschaftspsychologie

Von Erich M. Kirchler Hogrefe-Verlag, Göttingen 1999 450 Seiten, brosch., € 39,95

Finanzmärkte als psychologische und soziale Organisationen

Von Thomas Oberlechner in Finanzpsychologie II, Ausgabe 4/2003. Pabst Science Publishers. Lengerich

The Winner's Curse

Von Richard Thaler. Princeton University Press, Princton 1994, 240 Seiten, brosch., € 28,40

Stock-Market Psychology

Von Karl-Erik Wärneryd. Edward Elgar, Cheltenham 2001, 339 Seiten, geb., € 100,-

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