EU-Erfolgsmodell wird weltweit kopiert

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In der Europäischen Union wird gerne tiefgestapelt und krankgejammert. Im Gegenteil zur Außenwahrnehmung, in der die EU als Vorbild glänzt.

Europa streitet jahrelang über einen Verfassungsvertrag oder sucht gegenwärtig händeringend nach einem EU-Präsidenten, einen „Mister GASP“-Außenminister sowie Dutzenden EU-Kommissaren – und vergisst bei diesem täglichen Polit-Hickhack, worauf es sich schon alles geeinigt und was es bereits erreicht und gefunden hat. Eine „negative Besessenheit“ nennt Parag Khanna diese EU-Tiefstapelei. Für den politikwissenschaftlichen Senkrechtstarter der jüngsten Zeit ist das völlig unverständlich und entspricht auf keinen Fall den weltpolitischen Realitäten.

Khannas im Vorjahr erschienenes Buch „The Second World: Empires and Influence in the New Global Order“ wird in seiner Bedeutung in einer Reihe mit Samuel Huntingtons „Clash of Civilizations“ oder dem von Francis Fukuyama verkündeten Ende der Geschichte genannt. Dem Direktor der „Global Governance Initiative“ und Aushängeschild der „New America Foundation“ stehe eine sensationelle Karriere bevor, heißt es in Expertenkreisen. Und eine gleichermaßen erfolgreiche Zukunft prognostiziert Khanna im Gespräch mit der FURCHE auch für die EU: „Die Europäische Union ist Vorbild für den Rest der Welt“, sagt der 32-jährige US-Amerikaner indischer Herkunft.

Drei Imperien: USA, China und EU

In seinem Buch prognostiziert Khanna auf absehbare Zeit drei Imperien in der Welt: die USA, China und die Europäische Union. Im Interview ergänzt er, dass er damit zukünftig auch drei Weltwährungen – US-Dollar, Renminbi und Euro – einhergehen sieht. Dass die EU (noch) über keine gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik verfügt, sieht Khanna dabei nicht unbedingt als Nachteil an: „Das Netzwerk-Handeln der EU mag kompliziert sein, aber damit gelingt es der EU gleichzeitig mehrere Strategien zu denken und gleichzeitig in mehreren Regionen aktiv zu sein. Jedes Land baut seine internationale Hebelkraft auf – letztlich nützen alle zusammen dem europäischen Projekt.“ Und Khanna prognostiziert: „Wir bewegen uns auf ein neues Mittelalter zu, eine Zeit der vielschichtigen und vielköpfigen Regierungsformen. Europa hat diese Lebensart erfunden und bietet sich jetzt wieder als Modell derselben an.“

Als Bestätigung für seine positive EU-Sicht zitiert Khanna den „2020 Report“ des US-National Intelligence Council: „Europas Stärke liegt darin, Vorbild zu sein für Modelle der globalen und regionalen Regierungsführung.“ Europas Erfolgsgarantie ist die Selbstwahrnehmung als „softe Superpower“, fügt Khanna hinzu. In Lateinamerika, Afrika oder Ostasien werden diese europäische Formen von grenzüberschreitendem Handel und Investitionen bereits kopiert. Und auch beim diesjährigen Weltwirtschaftsforum in Davos drängten chinesische wie amerikanische Delegierte darauf, sich am EU-Modell zu orientieren.

EU Vorbild für Ostasiatische Union

Den jüngsten expliziten Vorstoß in diese Richtung machte Japan, als es auf dem Gipfel der ASEAN-Staaten vor zwei Wochen mit Nachdruck für den Aufbau einer Wirtschaftsgemeinschaft nach Vorbild der EU warb: „Ich denke, dass meine langfristige Vision einer Ostasiatischen Union vom Großteil der Teilnehmer begrüßt wurde“, resümierte der japanische Ministerpräsident Yukio Hatoyama. Laut seiner Vorstellung sollen dem neuen Block neben den zehn Mitgliedern der Gemeinschaft südostasiatischer Nationen (ASEAN) auch Indien, Australien und Neuseeland angehören. Zentraler Bestandteil dieser Vision ist die Einführung einer regionalen Währung.

Vor allem China reagierte aber auf den japanischen Vorschlag zurückhaltend. Peking unterstellt Japan, damit mehr Einfluss in der Region gewinnen zu wollen, während China selbst seine wirtschaftliche und politische Position in der Region auszubauen versucht. Bereits vor dem ASEAN-Gipfel hatte Hatoyama deswegen bei der UN-Vollversammlung in New York ein diesbezügliches Gespräch mit Chinas Präsidenten Hu Jintao gesucht und um Vertrauen geworben. Anschließend meinte der Japaner über sein Kooperationsangebot an China: „Das wäre der Fokus der ostasiatischen Gemeinschaft, die ich aufbauen will.“

Die Lehre daraus: Ohne starke Zugpferde für eine Union geht es nicht – nicht in Europa, nicht in Ostasien und nicht in Lateinamerika. Dort schreibt die argentinische Präsidentin Cristina Fernandez de Kirchner ihrem Land und Brasilien eine ähnliche Vorreiterrolle für eine Lateinamerikanische Union zu, wie sie Frankreich und Deutschland in Europa hatten und haben. Doch so wie sich China in Asien reserviert zeigt, so ziert sich Brasilien im lateinamerikanischen Kontext. Altkanzler Alfred Gusenbauer hat das einmal so kommentiert: In einem gewissen Ausmaß glaubt man in Brasilien, dass man es sich mit dem Rest der Welt „ohnehin alleine richten“ könne.

Doch auch die gegenseitigen wirtschaftlichen Abhängigkeiten sind riesig – und treiben selbst mächtige Staaten in Wirtschaftsunionen. Aktuelles Beispiel Türkei: Ankara sucht wirtschaftliche Verbindungen mit den Nachbarn Syrien und Irak wie mit keinen anderen Ländern zuvor. Die wirtschaftliche Integration soll neue Konflikte erschweren, kommentiert das die Hürriyet-Kolumnistin Zeynep Gürcanl1. Und ihr Fazit: „Eine Nahost-Union entsteht“ – (siehe dazu auch den Internationalen Kommentar Seite 10).

Die Afrikanische Union ist da schon weiter und greift um immer mehr Zuständigkeiten in der Verteidigungs-, Außen- und Handelspolitik ihrer 53 Mitglieder. Deklariertes Ziel ist es, Frieden, Demokratie, Menschenrechte sowie die generelle Entwicklung zu fördern … Kommt das nicht bekannt vor? Zurecht: Auch in Afrika sind wie anderswo die Ähnlichkeiten mit dem Modell EU nicht zufällig und in jedem Fall erwünscht.

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