EU, ganz konkret: "So etwas gibt's sonst nirgends in Europa"

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Ein deutscher Staatssekretär auf ganz spezieller Mission in Griechenland: Hans-Joachim Fuchtel ist Angela Merkels Mann, der den Griechen das freundliche und hilfsbereite Antlitz Deutschlands zeigt.

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Ein deutscher Staatssekretär auf ganz spezieller Mission in Griechenland: Hans-Joachim Fuchtel ist Angela Merkels Mann, der den Griechen das freundliche und hilfsbereite Antlitz Deutschlands zeigt.

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Über dem Rednerpult im Extrazimmer des Restaurants Konstantinoupoli im Badeort Asprovalta an der griechischen Nordküste der Ägäis hängt ein Transparent mit dem großen Schriftzug: "Hellenic Silverstars". Daneben stehen kleine Flaggen mit den griechischen und deutschen Farben. Langsam beginnt sich der Saal zu füllen. Ein Mann in einer Art Steireranzug begrüßt die Leute. Die überwiegend älteren Frauen stellen selbstgemachte Mehlspeisen auf die langen Tischreihen. Gesprochen wird Griechisch, aber auch viel Deutsch. "Griechisch sprechen!" ruft jemand dem Mann im Trachtenanzug zu, der sich als ein pensionierter Regierungsbeamter aus Mannheim erweist.

Kiriaki Berger, die Frau des Regierungsrats, war ganz jung, als sie nach Deutschland gekommen ist und hat dann vierzig Jahre dort gelebt: "Eigentlich war es das ganze Leben." Vor sechs Jahren haben die beiden ein Haus in Asprovalta gekauft und sind in die alte Heimat der Frau gezogen. Aber wo ist wirklich ihre Heimat? Sie ist sich nicht ganz sicher. So wie ihr geht es auch manch einer anderen hier im Saal. Sie sind Griechinnen geblieben, aber doch sehr stark von Deutschland geprägt.

Im Extrazimmer sitzen sie bei der Gründungsversammlung der "Hellenic Silverstars", eines Vereins von älteren Griechen, die als Gastarbeiter in Deutschland gearbeitet haben und sich jetzt als Rentner in dem beliebten Badeort niedergelassen haben. "Unsere Landsleute haben in den Sechzigerund Siebzigerjahren den Wiederaufbau in Deutschland mitgetragen", sagt der Bürgermeister, "und jetzt heiße ich sie wieder daheim willkommen." Obmann des Vereins ist immerhin ein ehemaliger Betriebsratschef von Opel in Rüsselsheim: "Ich möchte, dass wir hier alle sozialen Rechte haben, die wir seinerzeit in Deutschland hatten, und ich wünsche mir, dass man uns Respekt bezeugt. Wir sind die gelebte EU."

Schwäbisch-griechische Hausfrauen

Der Präsident der Region Thrakien ist auch gekommen und dankt Deutschland "für den respektvollen Umgang mit unseren Landsleuten, die jetzt, wo die Beziehungen zwischen Deutschland und Griechenland großen Belastungen ausgesetzt sind, eine Brücke zwischen den beiden Ländern bilden". Er hoffe, sagt der Präsident, auch auf Unterstützung für die jungen Griechen, die jetzt nach Deutschland auswandern und erwarte dieselbe "Willkommenskultur", die ihre Großeltern seinerzeit erfahren hätten.

Alle diese Worte sind an den wichtigsten Gast gerichtet, der am ersten Tisch sitzt und nicht zu übersehen ist: ein großer massiger Mann mit gekräuselten Haaren und Schnurrbart. Um seinetwillen findet die Veranstaltung überhaupt statt, und von ihm stammt auch die Idee mit dem Verein: Hans-Joachim Fuchtel, Parlamentarischer Staatssekretär im Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit in Berlin und Griechenland-Beauftragter von Angela Merkel. "Merkels Geheimwaffe für Griechenland" hat ihn jemand genannt. Man könnte auch sagen, er ist das gute Gesicht Deutschlands in Griechenland. Unterdessen ist Fuchtel in Griechenland bekannt wie das falsche Geld, Leute reden ihn im Restaurant und auf der Straße an, der Ministerpräsident beeilt sich, für ihn einen Termin zu haben. Zeitungen, die ihn zuerst bekämpft haben, schwärmen vom "Netz der Freundschaft", das er geknüpft habe.

Seit vier Jahren tourt Fuchtel unermüdlich durch Griechenland, um Kooperationsprojekte zwischen deutschen und griechischen Gemeinden zu gründen: von Berufsschulen bis zur Feuerwehr, von der Müllabfuhr bis zum Tourismus, von der Förderung moderner Gemeindeverwaltung bis zur Gründung von Sparkassen. In Komotini knapp an der türkischen Grenze hat er eben eine Städtepartnerschaft mit Erlangen gegründet. Das soll aber kein Reisebüro für Bürgermeister wie früher sein, sondern ein Bündnis für Reformen. Der Senioren-Verein in Asprovalta mag nur eine Kleinigkeit sein, aber er soll Nachahmer in ganz Griechenland finden.

In Asprovalta kommt Fuchtel gleich zur Sache: Er erwartet von den älteren Herrschaften, dass sie für ihn und seine Projekte die Werbetrommel rühren. Der geübte Politiker - immerhin ist Fuchtel gerade zum achten Mal auf ein Direktmandat im Deutschen Bundestag gewählt worden -weiß, wie man die Leute anredet: Gerade habe er jemanden getroffen, der in Esslingen gearbeitet hat, erzählt er, und der weiß, "dass wir Schwaben sparsam sind -so wie die griechischen Hausfrauen". Man schmunzelt und freut sich über den Schmäh. Fuchtel redet nur schwäbisch, deshalb hat er auch immer eine eigene Dolmetscherin mit, die ihn versteht. "Unsere Schatzkästschen" nennt er etwa die Gemeinden.

Sparkassen und duales Ausbildungssystem

Für eine seiner Lieblingsideen ist hier der richtige Ort: Fuchtel möchte in Griechenland Sparkassen nach deutschem Vorbild gründen, "damit die griechischen Rentner ihre Renten aus Deutschland nicht mehr auf ein Konto in Deutschland legen, sondern auf ein griechisches", dem sie genauso vertrauen können. Auch eine andere seiner Initiativen sollen die Heimkehrer-Griechen propagieren: das duale Ausbildungssystem, das er nach Griechenland exportieren möchte. "Denn damit helfen Sie den Jugendlichen, später eine gute Arbeit zu finden." Jedenfalls ist Fuchtel davon überzeugt, dass das, was er in Griechenland tut, einmalig ist: "So etwas gibt's sonst nirgends in Europa."

Während die Rentner noch jausnen, ist Fuchtel, der auf seinen Griechenland-Touren wie selbstverständlich einen Sechzehn-Stunden-Tag absolviert, schon wieder unterwegs zu einem Gespräch, in dem es um die Gründung einer Berufsschule geht. Eine hat er bereits in Heraklion auf Kreta eingerichtet und eine in Athen, nun soll auch eine in Saloniki entstehen. Die Begegnung findet im Regierungsgebäude der Region Mazedonien-Thrakien statt. Anwesend sind der Leiter der Arbeitsmarktverwaltung und die stellvertretende Regionspräsidentin.

Ein Gebäude für die Schule steht bereits zur Verfügung, für die Organisation der Ausbildung in Tourismus-Berufen hat Fuchtel eine junge Griechin, die sich nur Niki nennt, aufgetrieben. Sie hat in Deutschland studiert, selbst im Tourismus gearbeitet und ist perfekt zweisprachig. Entsprechend selbstbewusst tritt sie auf. Fuchtel macht den griechischen Partnern die Sache schmackhaft, indem er mit den vier Milliarden Euro winkt, die die EU für eine "Ausbildungsgarantie" für Jugendliche bis 18 ausgeben will. Von diesem Geld müsse man sich etwas abholen, das gehe aber nur, wenn man ein wirklich gutes Projekt einreichen könne.

Das Gespräch verläuft schwierig. Fuchtel will nicht verstehen, dass es daran scheitern soll, dass sich niemand dafür zuständig fühlt, ein Loch im Dach des künftigen Schulgebäudes zu reparieren. Seine Gegenüber wirken irgendwie hilflos. "Ich verlasse diesen Raum nicht, bevor ich eine Zusage habe", meint der Deutsche schließlich leicht ungehalten, merkt aber sofort, dass das nichts hilft und lenkt wieder ein. "Die sind wie unter Schockstarre", flüstert mir ein deutscher Bundestagsabgeordneter zu, der auch dabei ist. Man darf ziemlich sicher sein, dass Fuchtel die Schule bekommt, notfalls wird er wohl in Athen intervenieren, wo er viele Freunde hat.

Von Nordgriechenland fliegt Fuchtel nach Athen, wo er einen weiteren Schritt in seiner langfristigen Strategie für Griechenland eingeplant hat: In den Räumen des griechischen Gemeindeverbandes eröffnet er ein Büro der "Deutsch-Griechischen Versammlung" - das ist jene Organisation, die Angela Merkel vor vier Jahren mit dem damaligen griechischen Ministerpräsidenten Georgios Papandreou gegründet hat und die Fuchtels Operationsbasis ist. Hier gerät der sonst gar nicht sentimentale Fuchtel ins Schwärmen: "Griechenland wird eines Tages davon reden, wie die Krise überwunden worden ist - und die Deutschen werden sich an die griechische Gastfreundschaft erinnern."

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