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Ideenlos: Tina Lanik inszeniert Mark Ravenhills "Pool (kein Wasser)" im Akademietheater.

Seit Thomas Ostermeier in Berlin 1998 "Shoppen & Ficken" inszeniert hat, gehört Mark Ravenhill (geb.1966) im deutschsprachigen Raum zu den meistgespielten britischen Autoren seiner Generation. Ganz so skandalträchtig wie damals versucht er in seinem neuesten Stück die Sehnsüchte des Menschen nicht auf den Begriff zu bringen, einer gewissen Drastik bleibt er aber auch hier treu.

Der Plot von "pool (no water)", das als Auftragswerk 2006 in London uraufgeführt wurde und im Mai 2007 durch den künftigen Burgtheaterchef Matthias Hartmann in Zürich die deutsche Erstaufführung erlebte, handelt von den Auswirkungen des Erfolges im Kunstmilieu. In der Inszenierung von Tina Lanik erzählen vier namenlose Protagonisten (dargestellt von Sylvie Rohrer, Thomas Lawinsky, Markus Hering und Christian Nickel), meist frontal zum Publikum aufgereiht, in larmoyantem, bisweilen zynischem Ton, wie ihre Gruppe von ehemals sieben Künstlern erst durch Aids und Krebs dezimiert und schließlich durch den Erfolg eines einzelnen zerbrochen ist.

"Wir sind eine Gruppe. Erfolg war für keinen von uns vorgesehen. Durch Erfolg hast du die Gruppe zerstört", lautet der Vorwurf. Weniger der Bruch als vielmehr Neid ist es allerdings, was stört. Seitdem sind nämlich Eifersucht, Neid und Hass ständige Begleiter. Aber das Schicksal hat es, so scheint es zunächst, anders gemeint. Bei einer Wiedersehensparty stürzt die so Erfolgreiche nämlich kopfüber in ihren leeren Swimmingpool.

Die zum Mitgefühl unfähigen Freunde sind angesichts der zerquetschten und verdrehten Gliedmaßen und der Farben ihrer Verletzungen fasziniert ("Schließlich sind wir Künstler"), mehr noch aber sehen sie das Missgeschick mitleidslos als gerechte Strafe dafür an, dass die Überfliegerin einst die Gemeinschaft (das ist der Doppelsinn von pool) verlassen hat.

Noch an der Unfallstelle wird die monströse Idee geboren, aus den Wunden mittels Fotografie endlich künstlerisches und anderes Kapital zu schlagen: "Interviews, Ausstellung, Verkauf" soll zukünftig die Trias ihres Lebensinhaltes sein.

Doch jäh wird das Quartett aus seinen Zukunftsfantasien gerissen. Lanik lässt - der einzige und reichlich ratlos erscheinende Regieeinfall - ein überdimensioniertes Stanleymesser krachend vom Bühnenhimmel fallen. Die schwer Verletzte besitzt nämlich noch in ihrer Agonie mehr künstlerisches Potential und mittels Agenten mehr Macht als die vier Loser zusammen, und gewinnt schließlich die Hoheit über das Werk, das sie nunmehr selbst ist. Den anderen, zu Lakaien degradierten Möchtegernkünstlern führt sie ihre eigene Überlegenheit vor Augen, was diesen wiederum Anlass gibt, die eigene Durchschnittlichkeit endlich zu akzeptieren. Fortan sehen sie davon ab, Künstler sein zu wollen.

Man kommt angesichts dieser Produktion arg ins Grübeln. Nicht nur darüber, was das Burgtheater mit der Gegenwartsdramatik im Sinn hat. Denn weder Ravenhill noch Lanik interessieren sich ernsthaft für das Thema des Körpers als Material für Kunst oder dafür, was es bedeutet, aus dem Leid anderer Profit zu schlagen, oder auch für die Gefühlskälte in der Gesellschaft. Das Kunstmilieu dient bloß als schicke Folie.

Aber wofür? Das Theater selbst scheint von einer Euphorie des Privaten ergriffen. Alles dreht sich um die Wunschpotentiale des Einzelnen, um das eigene Leben - das einfache, aber ästhetisierte oder das der subjektivistischen Exzesse.

Aber die Zeit scheint vorerst vorbei, in der das Besprechen des Eigenen als Form kritischer Reflexion gesellschaftlicher Prozesse behauptet werden kann, weil sich die individuellen, autonomen Entwürfe allmählich tot laufen und sich dem Betrachter tendenziell verschließen. Damit bleibt, Welt' weitgehend ausgespart und das Theater von einer kritischen Reflexion gesellschaftlicher Anliegen weiter entfernt denn je.

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