Europa bleibt ohne Seele

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Nomen est omen. Größere italienische Wörterbücher, die auch selten gebrauchte Worte verzeichnen, belehren den neugierigen Sprachforscher: rocco ist ein poetischer Ausdruck für das, was man heute in Rom und Umgebung pastorale nennt, zu deutsch: Bischofsstab. Rocco Buttiglione wollte seinem Namen Ehre und aus seinem Herzen keine Mördergrube machen. Nun ist er zurückgetreten, das EU-Parlament wollte sich nicht weiden lassen mit dem vatikanischen Hirtenstab und ließ sich nicht in eine Pastoralkonferenz umfunktionieren.

Wie kommt ein "Bischofsstab" in ein politisches Amt? Es gibt Anzeichen für ein Erstarken des politischen Katholizismus. Gemeinschaften wie "Communio e liberazione", der Buttiglione angehört, oder das "Opus Dei" engagieren sich in der Politik, um kirchliche Programme durchzusetzen. Das taten die Jesuiten als einflussreiche Beichtväter der Fürsten, bis sie es zu bunt trieben und 1773 für 40 Jahre verboten wurden. Nun hat mich aber gerade eine Allerheiligenpredigt in der Wiener Jesuitenkirche nachdenklich gemacht.

"Kirchliche Programme" im Sinne den politischen Katholizismus haben mit der Erringung von Macht und Einfluss zu tun und wollen schwacher missionarischer Überzeugungskraft mit politischen Mitteln unter die Arme greifen. Doch in der Predigt hörte ich es anders. Die Auslegung galt den Seligpreisungen der Bergpredigt. Da werden die Armen und Friedfertigen, die Gerechten und Gewaltlosen gepriesen.

Dass Europa eine Seele braucht, ist zum geflügelten Wort geworden; wenn aber ein Buttiglione, ausgestattet mit dem Bischofsstab als Vorname, seine Seelenvorstellungen wie ein Elefant im Porzellanladen vertritt, dann dürfe er - der Bergpredigt zufolge - den falschen Weg gewählt haben. Rocco ist zurückgetreten, und Europa bleibt ohne Seele.

Der Autor ist freier Journalist.

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