Europa zu Grabe getragen

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Es passiert immer dann, wenn ein Habsburger stirbt. Da gerät die heimische Öffentlichkeit aus dem Häuschen. Das war beim Prunk-Begräbnis von Zita 1989 so und nun wieder bei der eineinhalb Wochen andauernden Begräbnisfeier für Otto Habsburg. Der letzte Kaisersohn noch einmal in Wien, im Sarg. Dazu gekrönte Häupter, Adels- und Monarchieexperten im Interview, sechs Stunden Live-Übertragung im ORF. Bei all dem Pomp und der Vergangenheitsverherrlichung, den militärischen Verbänden und historisch gekleideten Abordnungen wähnte man sich fast im Wien des Jahres 1916, als Kaiser Franz Joseph I. zu Grabe getragen wurde.

Man könnte meinen, die K. u. K.-Monarchie hat in Österreich nie wirklich geendet (zumal Karl I. seinerzeit formell nicht abgedankt hat), sie wurde bisher nur von einem Weltkrieg, einem Diktator und zwei Republiken unterbrochen. Die Präsidenten der Republik residieren ja bis heute in Habsburgs Hofburg.

Nostalgie wie diese ist freilich auch ein touristisches Instrument, weshalb Otto Habsburgs Beisetzung (europaweit via 3sat) auch als Werbung für Wien gesehen werden kann. Schließlich lebt der Fremdenverkehr in der Hauptstadt seit jeher von der kaiserlichen Vergangenheit. Den wichtigsten Aspekt jedoch arbeitete die ORF-Übertragung kaum heraus: Der glühende Europäer Otto Habsburg, der für die europäische Idee brannte, starb just zu einem Zeitpunkt, da jene Idee in ihrer bislang größten Krise steckt. Man hatte den Eindruck, mit Habsburg wurde angesichts von Schulden- und Eurokrise symbolisch auch ein Teil dieses, seines Europa zu Grabe getragen. (Matthias Greuling)

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