Alle halben Jahre das Gleiche: Ein EU-Gipfel steht an. Die Brüsseler Korrespondenten liefern routinemäßig ihre Vorberichte ab, das Meiste können sie aus dem Stehsatz holen: "Mehr Europa, weniger Nationalstaat" nimmt man sich jedes Mal aufs Neue vor, also mehr Zusammenarbeit in Fragen, für die die Mitgliedsländer längst zu klein sind (welche sind das nicht?), Ausweitung von Mehrheitsentscheidungen gegenüber solchen, für die das Einstimmigkeitsprinzip gilt etc. Das alles unter dem Titel "Vorbereitung auf die Erweiterung der Union": keine Erweiterung ohne Vertiefung, Weichen für die Zukunft stellen ... Der Konsument nimmt's mittlerweile nur noch gelangweilt zur Kenntnis.
Am Freitag und Samstag ist es nun wieder so weit: Im belgischen Schloss Laeken treffen einander die Staats- und Regierungschefs der Fünfzehn. Im Vorfeld des Gipfels wird um den europäischen Haftbefehl sowie die militärische Eingreiftruppe gerungen - im ersten Fall legt sich Italien quer, beim anderen spielt das komplexe Griechenland-Türkei-Verhältnis hinein.
Nein, beileibe nicht nur Österreich ist die "Nervensäge" Europas, wie uns Georg Hoffmann-Ostenhof im profil einreden will, eher ist die EU als solche eine Union von "Nervensägen". Von kleinen und großen: Die Großen blockieren, wie sich's gehört, bei den wirklich großen Dingen. Solchen, die - siehe oben - die Zukunft der Europäischen Union als solcher betreffen; wo es darum geht, dass aus der seit 1989 in Sonntagsreden beschworenen Vision der "Rückkehr" der Reformländer "nach Europa" wenigstens ansatzweise und sukzessive Wirklichkeit wird.
Dabei sollte man freilich auch die Bedeutung der kleinen Dinge nicht vergessen. Die Fragen des Verkehrs oder Sicherheitsstandards für Kernkraftwerke gehören da gewiss dazu. Beides will Österreich in Laeken aufs Tapet bringen. In beiden Fällen - Transitvertrag plus Nachfolgeregelung, "Temelín" - hat sich die Wiener Politik nicht eben ausgezeichnet. Entsprechend schwierig ist es nun, zu sachlichen Lösungen zu kommen. Das ändert nichts daran, dass Österreich hier berechtigte Anliegen vertritt. Berlusconis Sonderwünsche etwa sind da deutlich weniger EU-kompatibel.
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