Experten-Streit um den Klima-Wandel

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Wenn die USA und China nicht die allerletzte Möglichkeit ergreifen, ihre Klimapolitik zu überdenken, endet die große Klimakonferenz in Kopenhagen mit einem Misserfolg. Aber bedeutet ein Scheitern des Klimagipfels auch schon die große Katastrophe? Die Auseinandersetzung darüber spaltet derzeit jedenfalls die Welt der Klimaforscher.

Als sich die 21 Staats- und Regierungschefs des asiatisch-pazifischen Wirtschaftsforums Apec am vergangenen Sonntag in Singapur einträchtig zum Familienbild aufstellten, artig in die Kameras strahlten und auf diese Art unverbrüchliche Freundschaft demonstrierten, machte sich ein müder und enttäuschter Anders Fogh Rasmussen auf den Weg Richtung Flughafen.

Als Überraschungsgast war der dänische Regierungschef nach Singapur geeilt, um für den Klimagipfel in der dänischen Hauptstadt im Dezember zu werben. Vergeblich. Denn bei seiner Ankunft war das Schlussdokument des Apec-Treffens mit dem Titel „Sustaining Growth – Connecting the Region“ bereits geschrieben. Darin finden sich seitenlange Ergüsse über konkrete Zusammenarbeits-Initiativen für die Erhaltung des Wirtschaftswachstums der Apec-Region, in der die Hälfte des Welthandels stattfindet. Der Klimaschutz war den Regierungschefs im Schlussdokument dagegen nur vier Absätze mit insgesamt 33 Zeilen wert. Dabei verwiesen sie auf frühere Erklärungen, etwa die unverbindliche Ankündigung, „bis 2030 eine Treibhausgasemissionssenkung um 25 Prozent“ vorzunehmen.

Rasmussen wurde mit einer diplomatischen Ohrfeige in schriftlicher Form abgefunden: Man werde an den „ambitionierten Ergebnissen“ des Weltklimagipfels in Kopenhagen mitarbeiten. Dabei wären gerade konkrete Apec-Klimaziele eine der Grundvoraussetzungen für einen Erfolg des UN-Weltklimarates von Kopenhagen gewesen.

Dem Vernehmen nach soll vor allem die chinesische Delegation jedes konkrete Klimaziel verhindert haben. Was nützte es da, wenn am darauffolgenden Dienstag US-Präsident Obama unter dem Schweigen der chinesischen Gastgeber in Peking von konkreten Klimazielen der beiden Großmächte sprach? China wird trotzdem darauf beharren, dass die USA und Europa für Jahrzehnte der Umweltverschmutzung nicht die Länder Asiens verantwortlich machen können – auch weil Klimaauflagen deren wirtschaftliche Entwicklung hemmen würden.

Während die Chance auf eine Einigung im Interessenkonflikt um den künftigen Einfluss auf den Welthandel unterzugehen droht, stellen sich Experten und Medien schon jetzt die Frage, was denn ein Scheitern des Weltklimarates für Folgen haben könne.

Verwirrender Expertenstreit

Dabei kommen sie allerdings zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen. Das Nachrichtenmagazin profil orakelt schon: „Der Mensch stirbt aus“, und zitiert dabei den Potsdamer Klimaforscher Stefan Rahmstorf, der davon ausgeht, dass sich bis zu 40 Prozent der Bevölkerung im Jahr 2100 mit der Vernichtung ihres Lebensraumes durch den Anstieg des Meeresspiegels konfrontiert sehen werde.

Dem stehen britische Forscher gegenüber, die vor drei Wochen mit einer Studie aufhorchen ließen, wonach es in den vergangenen zehn Jahren überhaupt keine nennenswerte Temperaturänderung auf der Erde gegeben habe, was unter Umständen auf eine geringere Aktivität der Sonne zurückzuführen sei. Um die Verwirrung komplett zu machen noch aktuelle Nachrichten aus Grönland: Die Eiskappe habe seit 2006 um 327 Gigatonnen abgenommen. Für den Wiener Klimaforscher Reinhard Böhm, der an der Erstellung des Weltklimaberichts der UNO 2007 mitgearbeitet hat, wäre eine „Rückkehr zur Sachlichkeit“ in der Klimadiskussion, höchst an der Zeit. Böhm spricht von „überhand nehmendem Alarmismus“ einiger seiner Kollegen. „Auch wenn Kopenhagen scheitert, bleibt noch Zeit zu handeln. Der Klimaschutz ist kein auf Kopenhagen konzentriertes Ereignis, sondern ein lange dauernder, bisher erfolgreicher Prozess. In so kurzer Zeit kann kein globales System ausverhandelt werden.“ Vor allem dann nicht, wenn es um so viel Geld geht, könnte man hinzufügen. Ein Zielabkommen, das sich eine massive Senkung von Treibhausgasemissionen zum Ziel setzt, würde, darüber sind sich die Experten einig, zu jährlichen Kosten von mindestens 100 Milliarden Euro führen. Während der Ex-Weltbank-Experte Nicolas Stern bereits vor Jahren vorrechnete, wie dringend diese Investitionen wären, stecken die Verhandlungen der Staaten darüber noch in den Kinderschuhen.

Klimasünder Österreich

Geht es nach den neuesten Statistiken der EU, stünde der Klimaschutz auch in Österreich erst am Anfang. Das Land rangiert demnach unter jenen 15 EU-Staaten, die das Kyoto-Protokoll unterzeichnet haben, auf dem letzten Rang, was die Einhaltung der Ziele betrifft. Die Aufregung darüber führte in der vergangenen Woche gar zu einer „Blockade“ des Bundeskanzleramtes durch Greenpeace-Aktivisten. Klimaexperte Böhm relativiert allerdings auch diese Statistik. Zunächst sei ein Zweifel an der Vergleichbarkeit der Daten angebracht: „Gemessen wurden die Einsparungen jedenfalls nicht.“ Darüber hinaus, so Böhm, habe sich die Bundesregierung 1998 zu einem irrealen Ziel verpflichten lassen, das die ohnehin auf Wasserkraft basierende Energieversorgung außer Acht ließ. Nächste Etappe des Klimastreits: Kopenhagen, 7. bis 18. Dezember.

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