Export der Gedanken und Gefühle

Werbung
Werbung
Werbung

Der Medien- und Performancekünstlerin VALIE EXPORT gelingt es seit Jahrzehnten, feministische und allgemeine gesellschaftspolitisch relevante Fragestellungen in einer unverkennbaren Bild-Sprache zu thematisieren.

"Mein Körper ist die Naht, mein Körper ist die Schnittstelle." Mit diesem programmatischen Zitat führt VALIE EXPORT in ihre Homepage. Aufsehen erregte die 1940 in Linz als Waltraud Lehner geborene Künstlerin erstmals in den späten 60er und frühen 70er Jahren durch mittlerweile legendäre öffentliche Aktionen. Provokation und Aggression wurden dabei bewusst eingesetzt - um den traditionell männlich besetzten Stadtraum zu erobern und gleichzeitig auf gesellschaftliche Missstände hinzuweisen. "Ich wählte diesen Ansatz, weil ich die Seh- und Denkweisen der Leute zu verändern versuchte", erzählt die Künstlerin rückblickend. 1968 spazierte sie mit dem auf vier Beinen kriechenden Peter Weibel an der Leine durch die Wiener Innenstadt ("Aus der Mappe der Hundigkeit").

In der Performance "TAPP- und TASTKINO" erklärte sie ihren Körper zur lebendigen Kino-Leinwand. Durch eine vor dem Oberkörper getragene Box, die den Kinosaal symbolisieren sollte, konnte jeder Passant, jede Passantin, jedes Kind ihre Brüste betasten. EXPORT spielte dabei auf den voyeuristischen Umgang mit dem weiblichen Körper an, zugleich präsentierte sie eine neue Kunstform - das "Expanded Cinema" (erweitertes Kino).

Pseudonym und Logo in einem

Den in Versalien geschriebenen Namen "VALIE EXPORT" legte sie sich 1967 als Pseudo- nym und Logo zu, da sie weder den Namen ihres Vaters noch den ihres Ex-Mannes tragen wollte. Anschließend kreierte EXPORT ein Objekt, das zu ihrem Markenzeichen wurde. Auf einer Packung der damals besonders bei Männern beliebten Zigarettensorte "SMART EXPORT" ersetzte sie "SMART" durch "VALIE" und klebte ihr Porträt in die Mitte.

"EXPORT" steht für das Nachaußentragen ihrer Gedanken und Gefühle - auch für Grenzüberschreitung. Grenzen hat EXPORT in mehrfacher Hinsicht überschritten. Allerdings erkannte man die Komplexität und Bedeutung ihres Werks hierzulande erst mit einiger Verspätung. Hans Hollein hat Spürsinn bewiesen, als er VALIE EXPORT 1980 gemeinsam mit Maria Lassnig auf die Biennale in Venedig schickte. Obwohl ihr damals der internationale Durchbruch gelang, hat sie sich in Österreich zweimal vergeblich um eine Professur beworben. Hochschulprofessorin wurde sie dennoch: in den USA, in Berlin und Köln lehrte sie zwischen 1991 und 2005 visuelle Kommunikation, Multimedia und Performance.

Zeichen vergangener Versklavung

Zu gefragten Klassikern zählen mittlerweile EXPORTs frühe Fotografien. Hier geht sie geschlechtsspezifischen Identitätsbildern und der Rolle der Frau in einer von Männern dominierten Kunstwelt nach. Ein Schwarzweißfoto zeigt die Künstlerin in selbstbewusst aggressiver Pose; ein hochgezogenes Kleid gibt den Blick auf ein tätowiertes Strumpfband am Oberschenkel frei. Was die Betrachter zu sehen bekommen, ist Exports intimstes Werk, das nur solange am Leben bleibt wie die Künstlerin selbst. Dass solch persönliche Aktionen bei VALIE EXPORT stets eingebunden sind in einen größeren theoretischen Zusammenhang, gibt ein handgeschriebener, die "Body Sign Action"-Fotos begleitender Text aus dem Jahr 1970 zu verstehen: "Die Tätowierung demonstriert den Zusammenhang zwischen Ritual und Zivilisation. Als Tätowierung erscheint das Strumpfband als Zeichen einer vergangenen Versklavung, als Spur einer vergangenen Kultur, als Erinnerung. Ein soziales Signal ist in ein privates verwandelt worden."

Um Genderfragen geht es auch in der raumgreifenden Installation "Die un-endliche/-ähnliche Melodie der Stränge" aus dem Jahr 1998. Auf 25 Monitoren wird durch das Klappern von Nähmaschinen die Atmosphäre einer Fabrikhalle simuliert. Neben der Thematisierung der zunehmenden Medialisierung (von der realen elektrischen Nähmaschine zur virtuellen Nähmaschine auf dem Bildschirm) weist EXPORT mit dieser Arbeit auf die Ausbeutung von Frauen im Industriezeitalter hin.

VALIE EXPORTs frühe Fotos zeigen genauso wie jüngere Installationen, warum die "Pionierin der Medienkunst" derzeit international so gefragt ist. Weil es ihr seit vier Jahrzehnten gelingt, aktuelle oder elementare Fragen, denen Theoretiker normalerweise ganze Schmöker widmen, in einer unverkennbaren Bildsprache zu thematisieren. Zugleich hat sie bereits in den 70er Jahren innovative Wege im Umgang mit Fotografie, Video, Film, Text und Performance aufgezeigt. Subtil hinterfragt EXPORT den Einfluss der elektronischen Medien auf die Gesellschaft - auch das Verhältnis von Abbild, Bild und Sprache. Zugleich wies EXPORT vielen jungen Künstlerinnen und Theoretikerinnen durch das Ansprechen feministischer und gesellschaftspolitisch relevanter Themen den Weg. Um nachhaltig in die Kunstgeschichte einzugehen, müssen Künstlerinnen und Künstler inhaltlich und formal neue Sichtweisen auf die Wirklichkeit einbringen. Bei VALIE EXPORT ist dies in einer seltenen Ausprägung der Fall.

Teil 8 und Schluss der FURCHE-Serie "Kunst in Kontakt" - in Zusammenarbeit mit der Erste Bank

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung